Im Porträt: Henni Nachtsheim : Der Hessen-Versteher
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Entspannt: Henni Nachtsheim 2013 Bild: Kretzer, Michael
Henni Nachtsheim, Teil des Duos Badesalz und früher Frontmann der Rodgau Monotones, war ein schlechter Schüler mit großer Klappe. Heute ist er Musiker, Komiker und Autor. Und Eintracht-Fans wohl vertraut.
Der Albtraum jedes Komikers? Dass von ihm etwas besonders Lustiges erwartet wird. Das Grauen, auch für Henni Nachtsheim. Jedenfalls, wenn er nicht auf der Bühne steht. Dann will er außer Dienst sein. So wie jetzt, in seinem kleinen Haus in Rödermark an seinem großen Esstisch. Keine Bühne, keine Kamera, keine Scheinwerfer, kein Humor-Schaulauf. Auch ohne all das ist Hendrik, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, einer der unterhaltsamsten und interessantesten Menschen, mit denen man einen Nachmittag verbringen kann. Weil er höflich, aufmerksam und selbstironisch ist. Und weil man spürt, wie liebevoll er sein Metier betrachtet: den Hessen an sich, knietief in den Niederungen des Alltags. Dort, wo sich auch Henni Nachtsheim seit seiner Geburt 1957 überwiegend aufhält.
Aufgewachsen ist der jüngere von zwei Söhnen eines Sportjournalisten und einer Hausfrau in Neu-Isenburg, in einem Mehrfamilienhaus. Dort erfährt er zwischen den beiden Polen des hessischen Lokalcharakters, er nennt sie „schnöde“ und „goldisch“, seine mundartliche Frühsozialisation. „Wir hatten in der Nachbarschaft die Witwe Bertel und die Witwe Kohl. Die Witwe Bertel war die Böse. Immer wenn da der Ball in den Garten fiel, war das wie ein Todeskommando für uns Jungs. Die sagte Sätze wie „,Du Drecksack, mach dich aus meim Gadde, sonst bring ich dich um!‘“ Von der Witwe Kohl hörten die Kinder freundliche Worte. Mehr profitiert habe er vom Geschimpfe, sagt Nachtsheim. Auch und vor allem für die legendären Auftritte mit Gerd Knebel, als Duo Badesalz.
Drei Komödiant
Seit fast 30 Jahren sind die beiden ein Bühnen-Paar. Seit sich Knebel, damals Bandleader der Hessen-Rock-Formation Flatsch und der Rodgau-Monotones-Musiker Nachtsheim Mitte der achtziger Jahre auf einer Party näher kamen. Nachtsheim hatte Liebeskummer, wollte sich betrinken. Knebel erzählte ihm von einem Hausmeister, der ihn furchtbar genervt hatte. „Dazu hatte ich auch eine Geschichte. Und so ging es dauernd hin und her. Stundenlang. Wir merkten, wie die Leute zuhörten und sich bestens amüsierten“, erzählt Nachtsheim. Ein paar Monate später stand das erste Badesalz-Programm, kurz danach war das Duo Kult. Mit Fans in ganz Deutschland, immer neuen, bis heute, das muss man erst einmal schaffen.
Vielleicht liegt es daran, dass sich die beiden treu geblieben sind, ohne sich zu wiederholen. 2013 ruhte die Zusammenarbeit für ein paar Monate, in aller Freundschaft. Gerd Knebel ging mit einem Soloprogramm auf Tour, Nachtsheim nutzte die Zeit, seinen vielfältigen Talenten einmal wieder richtig Auslauf zu geben. Unter anderem hat er sein Buch „Dollbohrer“ veröffentlicht. Es handelt von seinem ganz speziellen Blick auf die Weltliteratur, von Werther bis Lolita, vom Herrn der Ringe bis zu Harry Potter. Die Idee dahinter: dass es vielen großen Ereignissen deutlich Humor und Action fehlt. Nachtsheim nennt „Die drei Musketiere“. „Da wird die ganze Zeit nur gelabert und fast gar nicht gefochten. Einmal wird eine Hexe verbrannt. Das ist fast schon das Spannendste.“ Das hat er gründlich geändert. Zum Buch gibt es auch die Dollbohrer-Live-Performance, Lesungen und ein Bühnenprogramm, mit dem er im vergangenen Jahr auf Tour war, zusammen mit Rick Kavanian. In der Badesalz-freien Zeit hat Nachtsheim auch zwei Folgen für die Fernseh-Sitcom „Pastewka“ geschrieben.