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Im Gespräch: Martin Kliehm : „Wir lesen uns alle alles durch“

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Wach bleiben: Martin Kliehm von den Piraten ist „ein großer Freund datenbasierter Politik“. Bild: Wolfgang Eilmes

Je kleiner die Fraktion, desto größer der Arbeitsaufwand jedes Einzelnen. Das gilt auch für die drei Mitglieder der ELF/Piraten-Fraktion. Ihr Vorsitzender Martin Kliehm sagt, was zu tun ist.

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          Ihre Berufsbezeichnung ist Senior Frontend Engineer. Was ist das?

          In meiner Branche darf man sich die Jobbezeichnung aussuchen, weil man das nicht studieren kann. Ich entwickele seit 16 Jahren Webseiten, und zwar den Teil, der näher am Nutzer ist, also Frontend. Senior heißt, dass ich erfahren bin. Und teurer.

          Ist es immer noch mehr als ein Klischee, dass sich viele in der Piratenpartei ebenfalls Senior Frontend Engineer nennen könnten, weil sie in irgendeiner Form mit dem Internet ihr Geld verdienen?

          Ich glaube nicht, dass sich viele Senior Frontend Engineer nennen können. Aber es haben immer noch sehr viele mit dem Internet zu tun. Anders gesagt: Es sind noch ziemlich viele Nerds dabei. Aber die Mitgliederstruktur passt sich langsam der Gesellschaft an.

          Der Piratenpartei ging es schon besser. Die jüngsten Wahlergebnisse sind schlecht. Manche wollen sich deshalb wieder auf die ursprünglichen Themen wie Freiheit im Netz und Ähnliches konzentrieren. Sie auch?

          Ich bin nicht so ein Kernthemen-Mensch. Überwachung zum Beispiel findet ja nicht nur im Internet statt, sondern auch im öffentlichen Raum. Sie wirkt sich für alle auf das tägliche Leben aus. Und wenn ich möchte, dass die Leute Internetkompetenz haben, dann muss ich in Bildung investieren. In der Lokalpolitik bin ich dann schnell bei maroden Schulen, die nicht saniert werden. Wir brauchen Ganztagsschulen, wir brauchen Kantinen, wir brauchen kostenlose Kinderbetreuung.

          Wir brauchen dafür Geld.

          Wir brauchen Geld, ja. Wir brauchen aber auch Chancengleichheit und vieles andere mehr.

          Also ist nur Ihr Einstieg in die Politik anders. Sie kommen darüber dann genauso zu anderen relevanten Themen?

          Ja. Es lässt sich unheimlich viel davon ableiten. Was die Piraten nicht im Programm haben, sind sehr aktuelle Sachen, zum Beispiel die Antwort auf die Frage: „Wie steht die Piratenpartei zum Krieg in Syrien?“ Wir haben aber drinstehen, dass wir die vom Bundesverfassungsgericht verbriefte informationelle Selbstbestimmung unterstützen. Warum soll das bei den Informationen aufhören? Selbstbestimmung der Bevölkerung ist etwas ganz Wichtiges. Das lässt sich durchaus auf ein internationales Level übertragen.

          2011 haben die Piraten im Römer in einer zusammengewürfelten Fraktion angefangen: Sie, Ihr Parteifreund Herbert Förster, Luigi Brillante von der Europaliste ELF und Jutta Ditfurth von Ökolinx. Das ging nicht lange gut. Warum nicht?

          Es hat sich relativ schnell gezeigt, dass die Jutta eher in der Bundespolitik zu Hause ist. Ökolinx stellt im Stadtparlament kaum Anträge. Wenn es darum geht, bei einer Demonstration eine knackige Rede zu halten, dann ist Jutta sehr gut und vorne dabei. Ich hatte aber den Eindruck, dass mich diese Konstellation eher blockiert, als dass sie das, was ich im Stadtparlament machen möchte, gefördert hat. Die Zusammenarbeit war manchmal doch sehr dogmatisch.

          Es soll sehr lange Fraktionssitzungen gegeben haben. War das Ganze selbst für die Piraten zu basisdemokratisch?

          Basisdemokratisch nicht unbedingt. Ich habe mich aber oft gefragt: Ist das relevant? Ich kann einmal darüber reden, ob ein Kunstrasenplatz ökologisch korrekt ist oder nicht. Aber ich möchte das nicht fünfmal machen.

          Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit Herrn Brillante, die bis heute besteht?

          Das funktioniert. Er meldet sich immer dann zu Wort, wenn es um seine Kernthemen Bildung und Integration geht. Wir machen das ja alle drei ehrenamtlich. Deshalb gibt es bei jedem von uns Phasen, in denen wir aus beruflichen Gründen kürzertreten müssen. Wir bezahlen uns auch nicht extra, zum Beispiel als Fraktionsgeschäftsführer. Wir haben dafür eine eigene Geschäftsführerin mit halber Stelle angestellt.

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