Global Player aus der Wetterau : Zelte für Flüchtlinge und Löwen
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Zeltstangen für die Großen: Heribert Decher ist der Geschäftsführer von HTS Tentiq in Kefenrod. Bild: Schildwächter, Sandra
Seit Investoren den Marktführer für Großzelte führen, muss die Belegschaft von HTS Tentiq umdenken. Darin sind sie jedoch geübt. Denn in Ausnahmesituationen steigt die Nachfrage an ihren Produkten.
Wer weltweit Veranstaltungszelte oder mobile Hallen braucht, für den ist eine kleine Kefenröder Firma häufig erste Anlaufstation. HTS Tentiq ist nicht nur der mit Abstand größte Gewerbesteuerzahler der kleinen Gemeinde im äußersten Norden des Wetteraukreises, sondern ein globaler Marktführer.
Als nach 18 Jahren Gründer Heinz Röder sein Unternehmen im Januar 2019 verkaufte, war das für die Mitarbeiter ein Schock. Plötzlich traf nicht mehr der Patriarch alle Entscheidungen. Stattdessen haben seither der Investmentfonds Findos, dem nun 51 Prozent des Unternehmens gehören, und die Bitburger Brauerei mit 49 Prozent Anteil nun das Sagen. Und einen neuen Namen bekam die Firma auch, von Röder HTS Höcker wurde sie in HTS Tentiq umbenannt. Während früher der Chef am Jahresende einen Kassensturz machte und bekanntgab, wie gut die Geschäfte gelaufen waren, muss nun jede Abteilung monatlich berichten.
Handel mit dem Mittleren Osten und Afrika
Schwerpunktmärkte der Kefenröder, die sich selbstbewusst als Branchenführer sehen, sind der Mittlere Osten und Afrika. Als das Flughafengebäude in Nairobi, der Hauptstadt Kenias, abbrannte, lieferte Röder HTS Höcker mobile Hallen, in denen Reisende abgefertigt werden konnten, so dass der Flugbetrieb weiterlief. Die VIP-Lounge des Eishockeyteams der Frankfurter Löwen an der Eissporthalle ist in einem HTS-Zelt der Produktlinie „Manhattan“ untergebracht. Hilfsorganisation und Feuerwehren gehören ebenso zu den Kunden wie das Militär, das ganze Camps errichten lässt. Ausnahmesituationen sorgen für größere Nachfrage, so bescherte die Flüchtlingskrise 2015 in Deutschland der Firma eine Sonderkonjunktur.
Das Unternehmen mit einem Umsatz von 90 Millionen Euro stehe hervorragend da, sagt Geschäftsführer Heribert Decher, der seit Mitte 2019 im Amt ist. Es seien nur Anpassungen nötig, kein Kurswechsel. Diverse innerbetriebliche Prozesse seien überarbeitet und verschlankt worden. Auch gut ein Jahr nach der Übernahme sei zwar ein Rest Unsicherheit in der Belegschaft zu spüren, aber vieles habe sich eingespielt. Ein Wandel brauche Zeit, sagt Decher.
HTS hat am Produktionsstandort in Kefenrod 238 Beschäftigte, die meisten stammen aus der Gegend. Hinzu kommen 23 Mitarbeiter im Ausland, überwiegend in Vertrieb und Technik. 12 bis 14 junge Leute werden regelmäßig in Technik und Verwaltung ausgebildet. Decher ist froh, dass nach der Übernahme keine größere Fluktuation zu verzeichnen war. „Die Mitarbeiter ziehen mit“, sagt er. Personalentwicklung und -motivation räumt er einen hohen Stellenwert ein. Die Möglichkeit, wie bisher im eigenen Betrieb Karriere machen zu können, hält er für wichtig.
Kunden fordern Innovationen
Der Geschäftsführer, ein promovierter Chemiker, hat zuvor für Fresenius, Conti Tech und einen Hersteller technischer Textilien, gearbeitet. Er legt ein Hauptaugenmerk auf Innovationen. „Die Kunden wollen ständig etwas Neues sehen“, sagt der Dreiundfünfzigjährige. Das klassische Bierzelt sei zwar nach wie vor ein Verkaufsschlager. Aber wenn ein Automobilhersteller beispielsweise ein neues Modell präsentieren wolle, dann müsse es etwas Besonders sein.
Die Produktion in Kefenrod läuft auf einer Fläche von 64.000 Quadratmetern. In sechs Hallen erfolgt die Bearbeitung des Gerüsts aus Profilen und Stützpfeilern aus Aluminium sowie die Konfektionierung der Planen. Zusammengebaut wird das Ganze vor Ort. Der Übergang zwischen „Zelt“ und „mobiler Halle“ ist dabei fließend und hängt im Wesentlichen von der Dauer der Aufstellung ab. Die kleinsten „temporären Gebäude“, so der Fachbegriff, die HTS Tentiq herstellt, sind fünf mal fünf Meter große Pagoden. Standardzelte haben eine Breite von drei bis zu 60 Metern. Dank der modularen, freitragenden Konstruktion ist die mögliche Länge theoretisch nahezu unbegrenzt. In China existiert eine zweite Produktionsstätte als Joint Venture. Aus logistischer Sicht findet der Geschäftsführer die geographische Lage des Stammsitzes am Rand der Wetterau „suboptimal“. Jede Autobahn ist 20 Minuten entfernt. Auch Fachkräftemangel mache sich dadurch bemerkbar.
Kennenlernen mussten die Mitarbeiter erst einmal den neuen Eigner. Der Findos-Fonds aus München, hinter dem unter anderem die Erben des Autozulieferers Freudenberg stecken, investiert nach eigener Aussage langfristig und ausschließlich in renommierte deutsche Familienunternehmen. Der neue Besitzer beschert dem Unternehmen sogleich einen neuen Namen: HTS Tentiq soll den Umbruch auch nach außen sichtbar machen. HTS steht dabei wie bisher schon für High Tech Structures, „Tent“ stehe englisch für „Zelt“,,, das „i“ für innovativ und international und das „Q“ für Qualität. All das signalisiere die Geschäftsidee und sei international verständlicher als Röder HTS Höcker. Noch etwas, woran sich die Belegschaft in Kefenrod gewöhnen muss.