Historische Mode : Die fesche Toni
- -Aktualisiert am
Geschäft und Atelier in Frankfurt waren das Zentrum von Toni Schiessers Imperium. Bild: © HMF Horst Ziegenfusz
Kleine Schau für eine große Frau der Mode in Frankfurt: Das Historische Museum erzählt die einmalige Geschichte von Toni Schiesser.
Wenn im März oder September die Modenschauen von Toni Schiesser anstanden, dann pilgerte die feine Gesellschaft in den Frankfurter Hof. Die Abendkleider der Modemacherin, für die sie stets edelste St. Gallener Spitze verwendete, waren schwer begehrt. Caterina Valente und Marika Rökk trugen Schiesser, für die Hochzeit von Franz Josef Strauß und Marianne Zwicknagel hatte sie das Brautkleid gefertigt, die Prinzessin Margaret von Hessen kaufte bei ihr ein – genauso wie die Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt. Toni Schiesser wusste, wie das Herz der Modewelt schlug. Auf den Pariser Modeschauen war sie Stammgast.
Doch so wild wie die Avantgardisten der Haute Couture trieb sie es nie. Als „durchweg tragbar“ und „sehr weiblich“ wurden ihre Entwürfe 1967 in dieser Zeitung beschrieben, von einer „entschärften Pariser Mode“ war die Rede. Damit war die Frankfurter Selfmadedesignerin lange sehr erfolgreich: Mitte der siebziger Jahre führte die „Grande Dame der deutschen Haute Couture“ mit dem Faible für übergroße Brillengestelle gemeinsam mit ihrer Tochter Anny das größte private Modeatelier mit dem höchsten Umsatz in Deutschland. Bis zu 120 Mitarbeiterinnen waren für die Schiessers im Einsatz, nicht nur eigene Entwürfe, sondern auch Konfektionsware anderer Häuser wurde verkauft. Die Zentrale lag direkt am Frankfurter Schauspielhaus: Friedensstraße 2. Ein schmuckes Ateliergeschäft mit großer Glasfassade, hell, licht, modern.
„Durchweg tragbar“ und „sehr weiblich“
„Alles, was ich nicht durfte, habe ich mir selbst erarbeitet“, hat Toni Schiesser, Mädchenname Balzer, geboren im März 1906 in Frankfurt, aufgewachsen in Bockenheim, einmal gesagt. Und gleich noch den Satz „Ich war ja ehrgeizig“ hinzugefügt. Ihr ersten Kleider entwarf sie bereits als Kind – für ihre Puppen. Der heißersehnte Besuch der Modeschule aber wurde ihr verwehrt. Weil ihr Vater schon die Ausbildung von Tonis Bruder zum Maschinenbauer finanzierte, schickte er die Tochter „ins Büro“, um Geld zu verdienen. 1931 machte sie sich trotzdem selbständig.
Ihre Schneiderei betrieb sie zu Hause, ihre damals einzige Angestellte war ihre Nichte. Doch schon bald sprach sich herum, dass sie Talent besaß, und sie bekam immer mehr Aufträge. 1939 wurde ihr Ehemann angezeigt, weil Toni Schiesser eine Frau beschäftigte, die in der ausgrenzenden Logik der Nationalsozialisten als „Halbjüdin“ galt und weil sie auch immer noch für jüdische Kundinnen schneiderte. Willi Schiesser trat daraufhin, wohl um Schlimmeres zu vermeiden, in die NSDAP ein, nach dem Krieg wurde er als Mitläufer zu einer Zahlung einer Strafe in den Wiedergutmachungsfonds verpflichtet.
Mit dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur begann dann der eigentliche Aufstieg der Toni Schiesser. In ihrem Haus hatte sie während des Krieges einige Stoffballen gehortet, aus denen sie nun die ersten neuen Kleider schneidern konnte. Schon 1947 präsentierten sich die Frankfurter Modemacherinnen wieder mit einer gemeinsamen Schau, den Laufsteg dafür hatten sie vor den Trümmern des zerstörten Zoogesellschaftshauses aufgebaut. Toni Schiessers Tochter Anny zeigte als Mannequin die neusten Entwürfe ihrer Mutter, das Motto der Modenschau klang wie ein Schlachtruf der anschließenden Wirtschaftswunderzeit: „Aus Alt mach Neu“. Toni Schiesser wurde schon bald ein Star der jungen, westdeutschen Modewelt. Sie brachte den Luxus in den Alltag zurück, sie stattete Kinofilme, Revuen und Traumhochzeiten mit ihren Kleidern aus.
Aufstieg nach dem Zweiten Weltkrieg
Eine kleine Ausstellung im Historischen Museum, die gestern Abend eröffnet wurde, erzählt nun von der großen Frankfurter Designerin. Nach dem Tod der Modemacherin Ende April 1994 im Alter von 88 Jahren und – vier Jahre darauf – dem Ende ihres Unternehmers, das ihre Vertraute Ingrid Wrobel weitergeführt hatte, gingen viele der Zeichnungen, Fotografien und Kleider aus dem Firmennachlass und aus der Sammlung ihrer Tochter an das Stadtmuseum. In einem der neuen Sammlerräume des Hauses kann man bis Ende April nun wieder in die Geschichte der Toni Schiesser eintauchen.
Dass sie in der Stadt, in der sie so lange wirkte, im Gedächtnis bleibt, dürfte ihr ein Anliegen gewesen sein. Auf die Außenwirkung, das A und O der Mode also, war sie bis zu ihrem Lebensende immer bedacht. „Nicht, dass ihr mich in so einem weißen Hemd beerdigt. Ich möchte im Sarg ein Kleid anhaben“ war einer der letzten Wünsche, den Toni Schiesser der Nachwelt diktierte.
Frankfurter Spitzenarbeit - Mode von Toni Schiesser
Bis 28. April 2019 im Historischen Museum Frankfurt, Im Saalhof 1