Hilfe bei der Personensuche : Eine neue Familie nach 55 Jahren
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Sucht und findet Menschen auf der ganzen Welt: Sabine Benisch vom Verein Familie International Frankfurt. Bild: Wresch, Jonas
Kinder werden zur Adoption freigegeben, Geschwister verlieren sich aus den Augen. Der Verein Familie International Frankfurt hilft dabei, dass sie sich wiederfinden.
Ingrid Zacher versprach, keine Fragen mehr zu stellen. Nicht nach der Zukunft, dem Glück oder dem Namen. Und sie versprach, sich auch selbst nicht danach zu fragen, wie es ihr jetzt ging, nachdem man ihr den Sohn aus den Armen genommen hatte. Ein Kind in Kanada zur Adoption freizugeben bedeutet, dass es aus ist. Und vorbei. Das wusste Ingrid Zacher, und sie entschloss sich dennoch dazu. Der Freund, ein großer Mann mit dem Namen Jacques, verschwand so schnell, wie er einst gekommen war, sobald er von der Schwangerschaft erfuhr.
Das Kind ins Heim, das wollte Ingrid Zacher nicht. Und ihre Eltern in Deutschland, nun, die wären wohl auch nicht sehr begeistert gewesen. Ingrid Zacher hatte doch schon einen kranken Bruder. Es war ja auch eine andere Zeit, sagt sie heute. Nein, weil ihr Sohn ein gutes Leben haben sollte, gab sie ihn frei. Das war im Jahr 1956. Die kanadischen Beamten sagten, er sei nun nicht mehr ihr Sohn. Nur einen Namen konnte sie ihm noch geben. Ingrid Zacher nannte ihn Jacques.
Eine Wahrsagerin wusste was
Fortan war jeder Geburtstag des Kleinen eine Qual für Ingrid Zacher. Aber sie wurde gebraucht. Ihre Mutter wurde krank, die Tochter kam zur Pflege wieder zurück nach Deutschland, vom weiten Montreal zurück ins enge Dannenberg an der Elbe. Ab und zu dachte sie noch an ihre Zeit als Kellnerin. Wie sie von Hotel zu Hotel zog, es eine wunderschöne Zeit war, trotz alledem. Erst spät heiratete Ingrid Zacher, für ein weiteres Kind war es da schon zu spät. Inzwischen hatte sie sogar den Nachnamen des Vaters von einst vergessen, so weit weg war nun Kanada. Nur ihr Mann und der Bruder wussten von dem Sohn, sonst niemand. Warum auch, dachte Ingrid Zacher.
Dann lief die Katze weg. Es war Ingrid Zachers Lieblingskatze. Sie konnte sie nirgendwo finden. Eine Freundin erzählte ihr von einer Wahrsagerin aus dem nahen Hamburg, die habe auch schon ihre Katze wiedergefunden. Eigentlich Hokuspokus, dachte Ingrid Zacher, aber was soll’s. Als sie dann zu dritt auf ihrem Sofa saßen, sprachen sie erst viel über die Katze, aber Ingrid Zacher hatte noch eine andere Frage, die sie stellen wollte. Sie habe einen Sohn in Kanada, sagte sie, ob die Wahrsagerin da vielleicht etwas sehen könne? Ja, da sei ein Mann, und sie werde ihn in vier Jahren treffen. Ingrid Zacher war starr. Nur ihre Freundin fasste wieder Worte. Den Sohn, sagte sie, würden sie nun suchen.
Je nach Land werden andere Informationen benötigt
Es vergingen vier Jahre und nichts geschah. Die Freundinnen fragten bei verschiedenen Organisationen an, sogar beim Fernsehen, doch niemand konnte helfen. Vor einem Jahr dann riefen sie bei der kanadischen Botschaft an. Nein, helfen könne man ihnen auch nicht, aber vielleicht ein Frankfurter Verein. Dessen Zentrale liegt in einem Wohngebiet, in der Nähe des Marbachweg. In den paar Räumen im Souterrain klingelt oft das Telefon. Am anderen Ende sind dann Söhne oder Töchter, die ihre Eltern suchen. Oder den Bruder in Nordamerika. Ihre Geschichten sind verschieden und doch ähnlich. Vor einem Jahr rief auch Ingrid Zacher in Frankfurt an. Zum ersten Mal wurde sie nicht abgewimmelt. Sabine Benisch von Familie International Frankfurt versprach, es zu versuchen.