Wahlkampf in Corona-Zeiten : Werbung mit Abstand und Videos
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Am Ziel: die künftige Reichelsheimer Bürgermeisterin Lena Herget-Umsonst vor dem Rathaus der Wetteraustadt Bild: Marcus Kaufhold
Mitten im Bürgermeisterwahlkampf im hessischen Reichelsheim bricht die Pandemie aus. Distanz halten statt Klinken putzen: Die Kampagne von Lena Herget-Umsonst wandert ins Netz. Über einen Erfolg und die Probleme dabei.
Hinter der weißen Haustür, direkt unter der Wendeltreppe, hängt eine bunte Magnettafel. „Familien-Wochenplaner“ steht dort in großen weißen Buchstaben. Jahreshauptversammlung, Kaffeetrinken bei den Landfrauen, Geburtstage – fast jedes Feld des Kalenders ist mit einem Termin versehen. „Das ist im Moment unser wichtigster Gegenstand im Haus“, sagt Lena Herget-Umsonst. „Damit mein Mann weiß, wann ich wo bin und dass er dann zu Hause sein muss, um auf unseren Sohn aufzupassen.“
Ein sonniger, kühler Märztag in Reichelsheim, einer rund 6800 Einwohner zählenden Stadt in der Wetterau. Herget-Umsonst sitzt in ihrem Esszimmer. Vor ihr auf dem Laptop läuft eine Präsentation mit dem Titel „Strategietag – Bürgermeisterwahl 2020“. Der Strategietag findet am nächsten Wochenende statt, ein erstes Treffen mit einigen Unterstützern. Die Bürgermeisterwahl steht am 13. September an. Es ist der Tag, auf den die Zweiunddreißigjährige seit sieben Wochen hinarbeitet, seit sie am 23. Januar von der SPD als Kandidatin nominiert wurde. Was Lena Herget-Umsonst zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Keiner der Wahlkampftermine in ihrem Kalender wird stattfinden.
Das Virus wischt jeden einzelnen Termin weg
Schuld daran ist ein unsichtbarer Feind. Ein Gegenkandidat in diesem Wahlkampf, den niemand einkalkuliert hat, den vor wenigen Wochen niemand kannte. Der Gegner trägt einen großen Namen: Corona – lateinisch für Krone. Auch in Reichelsheim ist das Virus im Frühjahr angekommen, am 12. März gibt es im Wetteraukreis die erste bestätigte Infektion. Am selben Tag, einem Donnerstag, erklärt die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch zur Pandemie. Am Wochenende bahnt sich das Coronavirus seinen Weg in das Esszimmer von Lena Herget-Umsonst. Fast im Minutentakt ploppen die Absagen auf ihrem Smartphone auf. Das Virus putzt ihre Magnettafel, wischt jeden einzelnen Termin weg. Aber noch geht die Kandidatin davon aus, dass die Pandemie bald vorbei sein wird. Die Vorbereitungen für den Wahlkampf laufen weiter.
Am frühen Samstagabend sitzt Herget-Umsonst in einem kleinen Saal im Dorfgemeinschaftshaus von Blofeld, einem rund 440 Einwohner zählenden Stadtteil von Reichelsheim. Die meisten von ihnen sind um diese Uhrzeit schon zu Hause. Elf Menschen jedoch, ehemalige Bürgermeister, Parteimitglieder und Freunde von Herget-Umsonst, sind zusammengekommen, um die Strategie für die kommenden Monate zu besprechen.
Eben noch ging es um die ersten abgesagten Termine, jetzt stehen die Wahlkampfinstrumente zur Diskussion. Der Zeitplan für die Haustürwahlkämpfe wurde bereits abgenickt, die Facebook- und Instagram-Kanäle sind sowieso beschlossene Sache. „Was ist denn mit Videos?“, fragt eine Freundin von Herget-Umsonst. Die zieht die Augenbrauen hoch. „Aber dann nur Tonaufnahmen.“ – „Nee, so richtig mit Bild“, schallt es aus der Gruppe zurück. Herget-Umsonst ist nicht überzeugt. „Das passt nicht zu mir.“