FDP-Chef Stefan Ruppert : „Koalition betreibt unter CDU-Führung die Finanzpolitik der Linken“
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Notfalls mit den Grünen: FDP-Landeschef Stefan Ruppert will seine Partei nach der Bundestagswahl in einem Jahr wieder in der Regierungsverantwortung sehen. Bild: dpa
Stefan Ruppert, scheidender Parteichef der hessischen FDP, hat sich aus dem Parlament in die Wirtschaft verabschiedet. Im Interview spricht der Jurist über die schwarz-grüne Koalition, deren Umgang mit der Pandemie und über seine Partei.
Stefan Ruppert wurde 1971 in Frankfurt geboren und lebt in Oberursel. Nach dem Zivildienst in der Altenpflege studierte er Jura an der Goethe-Universität in Frankfurt. Der evangelische Christ wurde mit einer Arbeit über „Kirchenrecht und Kulturkampf“ promoviert und war Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht sowie am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte. 2012 habilitierte sich Ruppert. Der FDP gehört er seit 30 Jahren an. 2009 zog er in den Bundestag ein. 2013 wurde er Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Ende April dieses Jahres schied Ruppert aus dem Parlament aus, um in den Vorstand des Pharmaunternehmens B. Braun einzutreten. Ruppert ist seit 2014 Chef der hessischen FDP. Der Parteitag, auf dem er sein Amt abgeben will, wurde wegen der Pandemie auf Ende März verschoben.

Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung in Wiesbaden.
Sie sind aus der Politik in die Wirtschaft gewechselt. Wie findet Ihre Familie das?
Sie freut sich, weil etwas mehr Zeit für sie bleibt. An Wochenenden und Abenden habe ich weniger Termine. Das Alltagspensum ist allerdings verdichteter. Im Bundestag kommt man beispielsweise in einer sechsstündigen Ausschusssitzung vielleicht dreimal zu Wort. Heute folgen Schlag auf Schlag Sitzungen, in denen Entscheidungen zu fällen sind.
Haben Sie Entzugserscheinungen?
Mir fehlt manchmal eine gute parlamentarische Debatte. Zwei- oder dreimal kam es vor, dass ich mich gern beteiligt hätte. Was ich nicht mehr brauche, ist die tagespolitische Aufgeregtheit. Ich bin heute gelassener, grundsätzlicher und distanzierter.
Als Berufspolitiker lebt man in einer Blase. Gilt das auch für Manager?
Grundsätzlich besteht immer die Gefahr, dass man den Ausschnitt, den man bearbeitet, für das ganze Leben nimmt. Aber es gibt Unterschiede. In der Politik hat man es mit einer großen Bandbreite zu tun, obwohl sich fachlich niemand überall wirklich auskennen kann. In der Wirtschaft ist der Bereich schmaler, dafür besitzt man Expertise. Daraus kann falsche Politikverachtung erwachsen. Aber dieser Versuchung erliegen zum Glück nicht alle Manager.
Sie waren auch in der Wissenschaft unterwegs. Was hat Ihnen da besonders gefallen?
Mir gefällt umfassende humanistische Bildung, manchmal auch Bildung, die erst einmal zweckfrei ist. Oft genug erweist sie sich später als ertragreich.
Wie beurteilen Sie die Wirtschaftspolitik in der Pandemie?
Ich gehöre nicht zu den Politikern, die glauben, dass der politische Gegner immer alles falsch macht. Aber Peter Altmaier, der Bundeswirtschaftsminister der CDU, erinnert mich schon seit längerem an den früheren französischen Präsidenten Mitterrand: hohe Staatsquote, Industriepolitik, Schlüsselindustrien werden besonders geschützt, Hilfen für die Großen, Lenkung der Wirtschaft. Altmaier geriert sich als Ingenieur, der die Maschinerie beeinflussen will und damit die Soziale Marktwirtschaft in Frage stellt. Wir haben in Deutschland die höchsten Unternehmensteuern, wir diskutieren über Vermögensabgaben. Das sehe ich alles sehr kritisch.
Und die Wirtschaftspolitik in Hessen?
Ministerpräsident Volker Bouffier orientiert sich etwas stärker an marktwirtschaftlichen Prinzipien als sein Parteifreund Peter Altmaier. Aber die Verkehrspolitik ist ein Beispiel für ideologische Einseitigkeit.