Regierungspräsidium Gießen wird 30 : Mittelhessen aus der untergeordneten Rolle befreit
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Leitet seit 2009 das Regierungspräsidium Gießen: Lars Witteck Bild: Marcus Kaufhold
Seit 30 Jahren besteht dasRegierungspräsidium Gießen. Es tut sich vor allem in der Strukturförderung in Mittelhessen hervor. Sich in RP Mittelhessen umbenennen, darf die Behörde aber nicht.
Auch in Mittelhessen selbst herrschte verbreitete Skepsis, als die damalige Landregierung beschloss, für das Gebiet zwischen Vogelsberg und Westerwald, Lahn und Ohm ein eigenes Regierungspräsidium einzurichten, wie aus zeitgenössischen Berichten hervorgeht. Denn von einer Identität über Stadt- und Kreisgrenzen hinaus konnte kaum dort die Rede sein. Das hatte sich besonders deutlich bei dem am grünen Tisch verfügten Zusammenschluss von Gießen und Wetzlar zur Stadt Lahn gezeigt. Nach nur zwei Jahren wurde dieses Konstrukt, gescheitert am Widerstand von örtlicher Politik, Wirtschaft und Kultur und insbesondere der Menschen, 1979 wieder aufgelöst. Gleichwohl mochte die Landesregierung unter Ministerpräsident Holger Börner (SPD) ihren Plan, mit Hilfe neuer Verwaltungsstrukturen „Impulse für die Mitte Hessens“ zu setzen, auch nach Scheitern der Projekts Stadt Lahn nicht gänzlich zu den Akten legen.
So entstand neben den Regierungspräsidien in Darmstadt und Kassel eine weitere Mittelbehörde des Landes, der die Kreise Limburg-Weilburg, Lahn-Dill, Gießen, Marburg-Biedenkopf und Vogelsberg unterstellt wurden. Vor 30 Jahren nahm das Regierungspräsidium Gießen die Arbeit auf. Dass die Region gemeinsame Interessen habe und sie nur dann erfolgreich vertreten könne, wenn sie zusammenrücke, habe sich bewahrheitet, auch wenn viele Bürger sich auch weiterhin nicht als Mittelhessen identifizierten, sondern als Marburger, Gießener oder Vogelsberger, sagt Regierungspräsident Lars Witteck. Im Wettbewerb etwa um Unternehmensansiedlungen konkurrierten immer mehr ganze Regionen miteinander. Eine Behörde, die Initiativen über Gebietskörperschaften hinaus bündelt und mit dem Land koordiniert, sei dafür wesentliche Voraussetzung. So hat sich das Regierungspräsidium Gießen insbesondere als eine Art Anwaltskanzlei für Mittelhessen profiliert.
Untergeordneter Rolle entronnen
Tatsächlich vermochte sich diese Region aus der früher eher untergeordneten Rolle zwischen dem Ballungsraum Rhein-Main und dem nordhessischen Zentrum um Kassel ein gutes Stück zu befreien. Dass die Vorzüge als bedeutender Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort besser zur Geltung kommen, ist nicht zuletzt auf die Strukturförderung von Seiten des Regierungspräsidiums zurückzuführen. Mit zwei Universitäten und einer Fachhochschule zählt der kleinste Regierungsbezirk Hessens bei einer Fläche von knapp 5500 Quadratkilometern und gut einer Million Einwohner zu den Regionen mit überdurchschnittlicher Dichte von Forschung und Lehre nicht nur in Hessen. Führend in Deutschland sind mittelhessische Unternehmern der optischen und feinmechanischen Industrie oder auf dem Gebiet der Medizintechnik.
All diese Vorzüge besser zu vermarkten und die Kooperation von Hochschulen, Unternehmen, Verbänden und Kommunalpolitik zu verbessern zählt seit Jahren zu den vorrangigen Zielen der Behörde mit Sitz in Gießen und Außenstellen in Wetzlar und Hadamar. Einiges ist auf den Weg gebracht worden. So entstand unter Federführung von Wittecks Amtsvorgänger Wilfried Schmied beispielsweise der Verein Mitte Hessen, ein Zusammenschluss von Städten, Gemeinden, Kreisen, Hochschulen, Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, der mittlerweile rund 90 Mitglieder zählt. Millionenbeträge an Fördergeldern hat der Verein in wenigen Jahren für die branchenübergreifende Kooperation in Forschung, Entwicklung und Produktion zukunftsweisender Technologien eingeworben.