Die hessische Milchstraße : Junge Bauern, reifer Käse
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Italienisches made in Deutschland: Andrea L’Abbate in ihrem Käseladen in Offenbach Bild: Christoph Borgans
Tiere sehen und hart arbeitende Leute, Gespräche führen, gute Produkte kosten: Mit dem Rad unterwegs auf der hessischen Milch- und Käsestraße.
Die wuchtige Sau, die im Hof in der Sonne döst und gerade von sieben Ferkeln bestürmt wird, heißt Rosalie. Auch die etwa 80 Kühe, die im Stall nebenan Gras mampfen, haben Namen, Thymian zum Beispiel, und Annerose. Die Besucher des Dottenfelderhofs bei Bad Vilbel mögen so etwas. Vor allem gut verdienende Jungfamilien aus Frankfurt zieht es in die heile Bauernwelt. Im Hofladen kaufen sie Gouda und Möhrenlaibchen, die im Keller der Hofkäserei reiften, zapfen Rohmilch für 1,79 Euro den Liter und gehen dann mit dem Nachwuchs schauen, wie die Tiere aussehen, die das produzieren. An kaum einem anderen Ort in der Region wirkt das Landleben so heil wie auf dem biodynamischen Dottenfelderhof, der seit 1968 von einer Hofgemeinschaft bewirtschaftet wird.
Tatsächlich bietet die Anlage für Stadtkinder eine der seltenen Möglichkeiten, nah an die Tiere heranzukommen. Rosalies Ferkel dürfen frei über den gepflasterten Hof rennen, Schwalben drehen tschilpend ihre Runden und neben übervollen Beeten, und knorrigen Rosmarinsträuchern kann man auf Holzbänken die Einkäufe vervespern. Wer aber mehr erfahren will, sollte besser vorbeikommen, wenn der Workshop „Käse selbst machen“ angeboten wird oder wenn bei der Veranstaltung „Woher kommt die Milch?“ das Melken vorgeführt wird. Denn der interessierte Besucher ist hier nur einer von vielen, und die Menschen auf dem Hof sind beschäftigt.
Auf in die Käserei „L’Abbate“ in Offenbach
Oder aber man schwingt sich aufs Rad, denn der Dottenfelderhof liegt doppelt günstig: an dem Radfernweg R4 und an der hessischen Milch- und Käsestraße. Auf Karten, die die Landesvereinigung Milch herausgibt, sind neben ausgewählten Milch- und Käsebetrieben auch Radwege eingezeichnet. Hoch bis in den Landkreis Waldeck-Frankenberg und runter bis in den Odenwald kann man von Station zu Station von der Kuh bis zum Käse radeln. Entscheidet man sich, so wie wir, für den Odenwald als Ziel, lautet die Reihenfolge Hof, Käserei, Kuhstall, Molkerei, wenn man es nimmt, wie es kommt. Am besten lässt man sich für die rund 100-Kilometer-Tour zwei Tage Zeit.
Erstes Ziel nach dem Dottenfelderhof ist die Käserei „L’Abbate“ in Offenbach. Auf Radwegen und wenig befahrenen Straßen führt der R4 durch hügelige Landschaften. Auf die andere Mainseite bringt den Radfahrer die Rumpenhainer Seilfähre für 50 Cent. Von dort geht es mainaufwärts, bis ein Schild in die Innenstadt von „Offenbach am Meer“ lockt.
Vom Meer, genauer gesagt vom Mittelmeer, kommt auch Giuseppe L’Abbate, der in seiner kleinen Käsefabrik im Hinterhof nahe dem Wilhelmsplatzes täglich aus 1000 Litern Bio-Milch italienische Spezialitäten herstellt. Seine Frau Andrea verkauft sie im Lädchen nebenan, der einst Fahrradabstellraum der Familie war.
„Mozzarella, Scamorza und Ricotta machen wir selbst“, sagt Andrea L’Abbate zu Kunden, die sie noch nicht kennt. Herkunftsgeschützte Käsesorten wie Parmesan und Gorgonzola werden importiert. Sobald ein Kunde fragend schaut, fängt sie an: „Parmigiano Reggiano darf nur in den Regionen um die Emilia-Romagna hergestellt werden“, erklärt sie, macht einen Schritt zur Wand und kreist das Gebiet auf einer Italien-Karte ein.