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Mieterrechte : Pläne zur Mietpreisbremse „fatales Signal an die Länder“

  • -Aktualisiert am

Allheilmittel oder untaugliches Instrument? Über die Mietpreisbremse wird heftig gestritten. Bild: dpa

Die Diskussion über Mieterrechte spitzt sich zu. Rathauschefs applaudieren. Vertreter der Hauseigentümer kritisieren die Entscheidungen der großen Koalition. Aber auch auf Mieterseite gibt es Bedenken.

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          Die Unzufriedenheit auf dem Wohnungsmarkt steigt – unter Mietern und auch Vermietern. Ein Beschluss der großen Koalition im Bund sieht nun die Verschärfung und Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2025 vor. Zudem sollen der Bezugszeitraum zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre verlängert und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen eingeschränkt werden. Interessenvertreter der Mieter und Lokalpolitiker loben die Initiative, sehen aber einige Punkte kritisch. Auf Vermieterseite fällt die Beurteilung schlechter aus.

          Markus Schug
          Korrespondent Rhein-Main-Süd.

          Rolf Janßen, Geschäftsführer des DMB Mieterschutzvereins befürwortet die Entscheidung der Berliner Koalition. „Die Mieterrechte werden gestärkt.“ Die Mietpreisbremse allein sei aber kein „Allheilmittel“ in Zeiten eines überhitzten Wohnungsmarkts. Die Hürden für Mieter, ihre Rechte wahrzunehmen, wie etwa Rückforderungsansprüche, die nun ausgeweitet würden, seien immer noch zu hoch, meint Janßen. Vermieter sieht er zudem in der Pflicht, bei Neuvermietungen die vorherige Miethöhe zu nennen, so dass Verstöße besser erkannt werden.

          „Weitere Verschärfungen“

          Axel Gedaschko, Präsident des Verbandes der Wohnungswirtschaft, lobt zwar, dass nun mehr Bauland ausgewiesen werden könne. Auch der Plan, 100 Millionen Euro zur Reaktivierung von Brachflächen bereitzustellen, führe zu mehr Bautätigkeit, die sich entspannend auf das Mietniveau auswirke. Die „weiteren Verschärfungen im Mietrecht“ kritisiert er hingegen. Sie führten zu „Verunsicherung und Belastung im Mieter-Vermieter-Verhältnis“. Gedaschko spricht beim Thema Vergleichsmiete von einer „bewussten Manipulation bei der Abbildung der Marktsituation“. Markt und Mietern werde die verlängerte Mietpreisbremse schaden.

          Einer, der drastischere Worte wählt, ist Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus und Grund: „Die große Koalition geht nun daran, die Fehler ihrer eigenen Wohnungspolitik zu kaschieren.“ Die Beschlüsse seien „ein fatales Signal an die Länder, weiterhin im wohnungspolitischen Dornröschenschlaf zu verharren.“ Anstatt für Wohnungsneubau zu sorgen, würden Investitionen in wachsenden Städten verhindert. Mit der Absicht, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu erschweren, wolle man die eigenen Fehler ausgleichen.

          Mieterhöhungen sind wie höhere Mathematik.
          Mieterhöhungen sind wie höhere Mathematik. : Bild: dpa

          „Private Vermieter verkaufen ihre Wohnung doch nicht, wenn sich mit der Vermietung Geld verdienen ließe. Sie tun es, weil die vermieterfeindliche Regulierungspolitik ihnen keine Wahl lässt“, meint Warnecke. Den Betrachtungszeitraum für Mietspiegel von vier auf sechs Jahre zu erhöhen, kritisiert er ebenfalls. „So wird keine Marktmiete abgebildet. Und viele Kommunen werden nicht das Geld haben, nun komplett neue Mietspiegel zu erstellen.“

          Baugenehmigungen auf Rekordhoch

          Von „Vertrauensbruch“ spricht Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). „Die Beschlüsse sind widersprüchlich und bieten keine Lösung für mehr bezahlbaren Wohnraum.“ Bei Mietern würden zudem falsche Hoffnungen geschürt. Zwar ist die Zahl der Baugenehmigungen beispielsweise in Frankfurt oder Offenbach auf einem Rekordhoch. Auf Landes- und Bundesebene sieht das anders aus. Ibel meint, dass viele Kommunen nicht geliefert hätten, und spricht von einer Farce. „Die Mietpreisbremse war ursprünglich als ergänzendes und befristetes Instrument geplant, um den Wohnungsmarkt anzukurbeln.“ Die sinkenden Baugenehmigungszahlen zeigten, dass dies nicht passiert sei. Auch die erschwerte Umwandlung von Wohnraum rügt Ibel. „Die Kaufpreise für die wenigen verfügbaren Wohnungen werden nun weiter ansteigen. So bleibt vielen Menschen der Weg ins Eigentum auch künftig versperrt.“

          Das Bündnis „Mietenwahnsinn Hessen“ hält das für ein vorgeschobenes Argument. Schwierig sei, dass das Angebot gerade im „unteren Preissegment“ immer weiter sinke. „Beim Neubau hingegen, sind die Mieten meist viel zu hoch“, sagt eine Sprecherin. Die Ausweitung der Mietpreisbremse lobte auch das Bündnis, dem mehr als 40 Organisationen, beispielsweise der Mieterbund und der Deutsche Gewerkschaftsbund, angehören. Nach wie vor seien aber Mieter in der unkomfortablen Lage, juristisch gegen Vermieter vorgehen zu müssen – wobei viele Hemmungen hätten. Deshalb fordert das Bündnis die Einführung eines Mietendeckels und die Vergesellschaftung von großen Wohnungskonzernen, die mit Wohnraum spekulieren oder „horrende Mietpreissteigerungen“ durchsetzten.

          Lob von Oberbürgermeistern

          Der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) und sein Mainzer Kollege Michael Ebling (SPD) lobten die Einigung der Koalition, die Mietpreisbremse zu verlängern. Das schaffe fortlaufende Sicherheit für Mieter, sagte Mende. Die „Durchschlagskraft“ der Bremse habe sich bislang in Grenzen gehalten, weil Sanktionen gefehlt hätten. Vermieter mussten die zu hohe Miete erst dann reduzieren, wenn Mieter sie gerügt hätten. Der Rückerstattungszeitraum von bis zu 30 Monaten werde die Wirksamkeit der Mietpreisbremse erhöhen. Gleichwohl gibt Mende zu, dass der Bau von zusätzlichem und bezahlbarem Wohnraum die wichtigste Entlastung brächte.

          Die Mietpreisbremse sei zwar „kein Allheilmittel“, aber doch ein wirksames Instrument neben anderen, um in besonders beliebten Städten wie Mainz bezahlbaren Wohnraum zu schaffen beziehungsweise zu erhalten, sagte Ebling. Schließlich gehöre das Rhein-Main-Gebiet seit Jahren zu den hochpreisigen Kommunen in Deutschland. Als „Schwarmstadt“ müsse Mainz jährlich rund 2000 Neubürger unterbringen. Deshalb seien in den vergangenen Jahren gut 7000 Wohnungen gebaut worden. Gleichwohl gehöre die Stadt bei den Neuvertragsmieten immer noch zu den teuersten Adressen in Deutschland, nicht weit entfernt von München, Stuttgart, Hamburg und Frankfurt.

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