Taunus Innovation Campus : Übungsterrain für die smarte Stadt
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„Denkend“: So soll das smarte Bürogebäude mit Gewächshaus auf dem Dach Bild: Homann Architects
Ein „denkendes“ Bürogebäude soll den Anfang machen. Hattersheim in Hessen will neue zukunftsweisende Ideen für die smarte Stadt erproben.
Die Okrifteler Fähre gleitet lautlos wie von Geisterhand getrieben über den Main, ein Fährmann ist nicht an Bord. Ein intelligentes Parkleitsystem führt jedes Fahrzeug individuell zu einem freien Stellplatz, und die Helligkeit der Straßenlaternen richtet sich nach den tatsächlichen Lichtverhältnissen. Direkt am Hattersheimer Bahnhof, auf dem Areal des früheren Unternehmens des Glückwunschkartenherstellers Albert Horn & Söhne, soll zudem ein „ganzheitliches“ Bürohaus entstehen. Die Visualisierung zeigt eine Holzkonstruktion mit einem großen Gewächshaus auf dem Dach, in dem Gemüse angebaut wird. Die röhrenförmigen Apparaturen auf dem Dach erzeugen Energie.
In Hattersheim soll diese Zukunftsvision schon in den nächsten drei Jahren Wirklichkeit werden. Die Stadt sieht sich als Prototyp für eine Smart City, will Vorreiter der digitalen Entwicklung sein, wie Bürgermeister Klaus Schindling (CDU) erläutert. Der Auftakt wurde schon im Sommer mit der Vereinsgründung des „Taunus Innovation Campus e. V.“ gemacht. In diesem Verein haben sich namhafte innovative Unternehmen wie IFC Group GmbH, NTT Global Data Centers EMEA, GMS Global Media Services GmbH, NUR GmbH, Krieger & Schramm GmbH & Co KG, aber auch das Fresenius-Institut und die Barmer Krankenkasse oder der Verein Start UP e. V. zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel ist die Förderung von Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und der Aufbau einer Smart City.
Experimentierfeld für neue Technologien
Geplant seien sogenannte „Testbeds“, berichtete Schindling. Dabei werde auf einer wissenschaftlichen Basis ganz Hattersheim zum Experimentierfeld für die neuen Technologien, die allesamt unter dem wichtigen Punkt der Nachhaltigkeit stünden, erläuterte der Bürgermeister. Hattersheim ist also Übungsterrain für die Stadt von übermorgen. Unterstützt werde der Innovation Taunus Campus aus einem Verbund von Partnern aus Industrie, Start-ups, Bildungswesen, öffentlicher Hand und Forschung. Entstehen soll ein „Ökosystem für Gründer“, die Impulse für nachhaltige Innovationen geben sollen.
Mit GMS Global und Thing Technologies verlegen demnächst zwei Unternehmen ihren Hauptsitz nach Hattersheim, die herausragende Kompetenz für den Umbau zur digitalen Welt schon bewiesen haben. Thing Technologies machte mit dem Gebäude Cube in Berlin international von sich reden. Im Cube sorgen 3750 Sensoren für eine hochintelligente Technik. Zugangskontrollen, Raumbuchungen von Konferenzsälen, Temperatursteuerung und die Anpassung der Lichtverhältnisse werden über eine App gesteuert. GMS baut für die eigenen 200 Mitarbeiter gerade nach eigenen Angaben das „intelligenteste Bürogebäude Europas“.
Das 2004 gegründete Unternehmen mit Büros in Berlin und Singapur wird in einem Showroom präsentieren, welche Vorteile ein „denkendes“ Gebäude für moderne Arbeitswelten bietet. Der herstellerübergreifende Full-Service-Anbieter Thing für audiovisuelle Medientechnik, Videokonferenzen und Smart Buildings ist der naheliegende Partner, wenn die Stadt am Bahnhof ein weiteres Bürohaus mit „denkenden“ Büros errichten will. Das Unternehmen soll laut Schindling wichtiger Impulsgeber für jenes weitere autonome Bürogebäude sein, das ebenso am Bahnhof nach nachhaltigen Kriterien umgebaut werden soll. Die Initiatoren des geplanten Vorhabens sind die Frankfurter Invest GmbH mit Sitz in Frankfurt mit ihrer Projektentwicklungsgesellschaft Schulstraße mbH & Co. KG, die schon erste Pläne für das vierstöckige smarte Gebäude vorlegten. Außerdem wollen die Unternehmer Eigentumswohnungen am Bahndamm errichten. Dort sollen einmal mehr als 100 Menschen leben. Es wäre laut Schindling das letzte Wohnbauprojekt in Hattersheim.
Bahnhof bald barrierefrei
Was bisher nur als Visualisierungen im Computer animiert zur besseren Anschaulichkeit präsentiert wird, soll nächstes Jahr in eine konkrete Planung münden, die dann der Stadtverordnetenversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden kann. 2022 könnte im günstigsten Fall mit dem Bau begonnen werden, sagt der Bürgermeister.
Smarter und ohne Muskelkraft könnte es auch demnächst im Bahnhof zugehen. Unterdessen sieht es so aus, als ob in absehbarer Zukunft auch auf jene städtischen Mitarbeiter verzichtet werden kann, die Müttern mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern bei der Bewältigung der Bahnhofstreppen helfen. Die zähen Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG hätten endlich gefruchtet, berichtete Schindling. Die Aufzüge würden 2025/26 gebaut, eine zusätzliche Rampe baue die Stadt auf eigene Kosten. Damit wird auch der barrierefreie Bahnhof in absehbarer Zeit Wirklichkeit.