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Gutleutviertel in Frankfurt : Die Polizei kommt ins Roma-Lager

Behelfsunterkunft: Seit mehr als vier Monaten leben Obdachlose in selbstgebauten Baracken neben einer Industriehalle im Gutleutviertel in Frankfurt. Das Lager hat sich seit dem 6. April (Foto) ausgebreitet. Bild: dpa

Das Roma-Lager im Frankfurter Gutleutviertel ist der Stadtverwaltung schon lange ein Dorn im Auge. Nun ist die Polizei angerückt. Doch eine Räumung ist noch nicht in Sicht.

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          Es war gegen sieben, als die Polizei am Montagmorgen anrückte. Mehrere Dutzend Beamte, die über das Gelände streiften, den Blick auf die Hütten gerichtet, in denen die meisten Bewohner noch schliefen. Als sie die Beamten schließlich bemerkten, waren sie sich sicher: Jetzt werde geräumt. Sie verschickten die Nachricht schnell per SMS, die sich rasch verbreitete. Der Förderverein Roma, ebenfalls alarmiert, verschickte später eine Korrektur: „Räumung wurde verschoben. Stattdessen werden alle Leute kontrolliert und erfasst.“

          Katharina Iskandar
          Verantwortliche Redakteurin für das Ressort „Rhein-Main“ der Sonntagszeitung.

          In der Tat hatte die Polizei an diesem Morgen keinen Auftrag zu räumen. Eine Sprecherin sagte auf Anfrage, die Kontrollen hätten lediglich dazu gedient, die Personalien jener Bewohner aufzunehmen, die sich auf dem Gelände aufhielten. Die Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch, die das Chemie-Unternehmen Ferro gestellt hatte, läuft derzeit noch gegen unbekannt. Bisher hatte die Polizei noch keine Namen.

          Räumung steht aus - doch wie lange?

          Die Beamten brauchten nicht lange. 23 Personen trafen sie an, alle aus Rumänien. Dennoch hat der unerwartete Besuch die Angst vor einer bevorstehenden Räumung befeuert, wie der Geschäftsführer des Fördervereins Roma, Joachim Brenner, sagt. „Niemand hätte damit gerechnet, dass die Polizei in das Lager kommt, nicht nach dem, was Ende der Woche noch zu hören war.“ Brenner meint damit die Auskunft des Chemieunternehmens, noch gar keinen Gerichtsvollzieher mit der Räumung beauftragt zu haben, solange man noch in Gesprächen mit der Stadt über alternative Unterkünfte sei. Der Vizepräsident des Frankfurter Amtsgerichts, Frank Richter, bestätigte am Montag abermals, dass noch kein Auftrag des Unternehmens erteilt worden sei. Folglich sei das Gericht auch nicht tätig geworden. Das bedeutet: Einen Termin für eine Räumung gibt es noch nicht.

          Unklar ist derzeit noch, wie weit die Gespräche zwischen Stadt und Ferro sind. Freie Flächen sind rar. Es wird schwierig sein, ein Areal zu finden, auf dem die Familien, die jetzt an der Gutleutstraße leben, künftig neue Hütten beziehen können. Und selbst wenn eine Fläche gefunden wird, könnten andere Roma-Familien folgen oder ihrerseits Ansprüche geltend machen. Diese Befürchtungen teilen nicht wenige in der Stadtverwaltung, die derzeit mit dem Thema „Roma“ betraut sind.

          Joachim Brenner hat trotzdem konkrete Vorstellungen. Er sagt, es müsse eine Fläche bereitgestellt werden, „auf der die Menschen bessere Bedingungen vorfinden als in dem aktuellen Lager“. Dabei dürfe es sich aber nicht um Provisorien handeln, sondern es sollten „angemessene Unterkünfte“ sein. Die Menschen hätten sich an ihrem derzeitigen Ort eine Infrastruktur aufgebaut. Eine Räumung dürfe nicht stattfinden, denn ohne Alternativen landeten die Menschen dann auf der Straße in der Obdachlosigkeit.

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