Große Auswahl an weiterführenden Schulen : Ein Gymnasium wie eine Universität
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Ein Riese aus drei Teilen: Mehr als 2000 Schüler zählt der Höchster Schulverbund. Bild: Sick, Cornelia
Für etwa 4700 Viertklässler endet im Sommer die Grundschule. Ihre Eltern stehen vor der Wahl der weiterführenden Schule. Die Auswahl in Frankfurt ist groß.
Der inoffizielle Titel des größten Frankfurter Gymnasiums gebührt laut städtischer Zählung derzeit noch der Wöhlerschule. Sie liegt mit fast 1500 Schülern vor der Ziehenschule mit etwas über 1400 Kindern. In ein paar Jahren wird ihnen das Riedberg-Gymnasium Konkurrenz machen. Noch ist es im Aufbau, noch wird in Containern unterrichtet, aber Jahr für Jahr kommt eine weitere Stufe hinzu. Der eigentliche Riese unter den Frankfurter Gymnasien befindet sich allerdings im Westen der Stadt. Dass er meist nicht als solcher wahrgenommen wird, liegt daran, dass er aus drei Schulen besteht.
Zwei Mittelstufengymnasien - die Leibniz- und die Helene-Lange-Schule - und das Friedrich-Dessauer-Gymnasium als Oberstufe bilden den Höchster Schulverbund. Zusammen zählen sie mehr als 2000 Schüler. Die Leibnizschule liegt in direkter Nachbarschaft zum Dessauer-Gymnasium, das seinen Sitz im Bikuz Höchst hat. Etwas weiter entfernt, am Höchster Stadtpark, befindet sich die Helene-Lange-Schule. Die Fünftklässler besuchen zuerst eines der Mittelstufengymnasien, deren Schulzeit sich wegen der G8-Reform auf fünf Jahre verkürzt hat. Nach der neunten Klasse wechseln die meisten aufs Dessauer-Gymnasium, wo sie binnen drei Jahren Abitur machen können. Außerdem nimmt die Oberstufe auch viele Abgänger von Real-, Gesamt- und Privatschulen auf.
Sehr viele Kurse in der Oberstufe
Für die Schüler biete der Verbund eine Reihe von Vorteilen, findet Claudia Hemmling, die das Dessauer-Gymnasium seit 2008 leitet. Auf der einen Seite gebe es eine enge Zusammenarbeit zwischen den drei Schulen, etwa in gemeinsamen Fachkonferenzen. Andererseits hätten die Jugendlichen mit dem Wechsel nach der Mittelstufe die Chance, noch einmal neu anzufangen. Auch was ihr Bild bei den Lehrern betreffe. „Sonst heißt es ja manchmal: Ich kenn dich noch aus der siebten Klasse - du warst das doch damals mit dem Feuerlöscher.“
Ein weiterer Vorteil liege in der Größe der Oberstufe, ergänzt Rainer Raczinski, der am Dessauer-Gymnasium Kunst unterrichtet. Bei 800 Schülern sei es möglich, sehr viele Kurse anzubieten. So stünden Leistungskurse wie Musik, Informatik und Sport zur Auswahl. Außerdem seien ungewöhnliche Leistungskurs-Kombinationen wie Biologie und Kunst oder Physik und Französisch möglich. Auch die Stimmung sei anders als an herkömmlichen Gymnasien, meinen Hemmling und Raczinski. Die Älteren seien unter sich, es gebe eben keine übermütigen Fünftklässler, die auf den Gängen Nachlaufen spielten. Das führe, zusammen mit der Größe und dem im ersten Jahr beginnenden Kurssystem, zu einer fast universitären Atmosphäre.
Nicht mehr Platz bekommen
In den vergangenen Jahren hat die Stadt, auch mit Hilfe der Konjunkturpakete von Bund und Land, erheblich in ihre Schulgebäude investiert. Alle Gymnasien verfügen inzwischen über Mensen und Bibliotheken, viele sind saniert oder erweitert worden. Das Dessauer-Gymnasium hat sogar einen kompletten Neubau erhalten. Das Bikuz, in dem auch die Volkshochschule und die Stadtteilbücherei ihren Sitz haben, wurde in einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit dem Baukonzern Hochtief errichtet. Als die Schule den Neubau vor zweieinhalb Jahren bezog, wurden die funktionale Anmutung und die schmalen Gänge bemängelt. In der Praxis hätten sich der Bau und auch die Partnerschaft mit Hochtief aber bewährt, sagt Hemmling. Laut PPP-Vertrag ist das Unternehmen 20 Jahre lang nicht nur für die Unterhaltung des Dessauer-Gymnasiums, sondern auch für die Freiherr-vom-Stein-, die Heinrich-Kleyer- und die Carl-von-Weinberg-Schule verantwortlich.
Mehr Platz als im Vorgängerbau hat die Höchster Oberstufe allerdings nicht bekommen, obwohl dies nach Meinung der Schulleiterin durchaus sinnvoll gewesen wäre. Die Nachfrage von Schülern übersteige die Aufnahmekapazität bei weitem, sagt Hemmling. Im vergangenen Jahr habe es doppelt so viele Anmeldungen gegeben wie freie Plätze. Diese Ausnahmesituation sei zwar durch die Doppeljahrgänge von G8- und G9-Schülern begründet, die gleichzeitig aus der Mittelstufe nachrückten. Aber auch der allgemeine Trend zeige nach oben.
Nicht mit sinkenden Schülerzahlen zu rechnen
Steigende Schülerzahlen verzeichnet nicht nur der Höchster Schulverbund, sondern jedes Frankfurter Gymnasium. Das ist einerseits ein Vertrauensbeweis für die Schulform, andererseits eine Belastung. Wegen der hohen Nachfrage - mehr als die Hälfte der Frankfurter Familien wählt den gymnasialen Bildungsgang - haben in den vergangenen Jahren viele Schulen zusätzliche fünfte Klassen eröffnen müssen. Diese starken Jahrgänge kommen inzwischen in der Oberstufe an und bringen diese an den Rand ihrer Kapazität.
Um wenigstens den Frankfurter Kindern Gymnasialplätze bieten zu können, soll die Zahl der sogenannten Gastschüler sinken. So lehnt das Dessauer-Gymnasium Kinder aus dem Main-Taunus- und dem Hochtaunus-Kreis inzwischen ab. Mittelfristig ist jedoch ein Ausbau des Angebots unumgänglich. Die Stadt hat sich deshalb zur Gründung des Riedberg-Gymnasiums entschlossen und plant ein zusätzliches Oberstufengymnasium. Zu spät, finden mache. Denn die steigenden Geburtenzahlen und der Trend zum Gymnasium sind seit Jahren bekannt. Und für die neue Oberstufe ist noch nicht einmal ein Standort gefunden.
Fest steht dagegen, dass der Höchster Schulverbund einen neuen Nachbarn bekommt. An der Palleskestraße will die Stadt der IGS West, die sich noch im Aufbau befindet und in Zeilsheim untergebracht ist, einen Neubau errichten. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich viele der Gesamtschüler, wenn sie nach der zehnten Klasse abgehen, auf den Weg zum Abitur machen. Die nächstgelegene Adresse dafür wäre das Dessauer-Gymnasium. Mit sinkenden Schülerzahlen ist also dort wie auch an den anderen Gymnasien nicht zu rechnen.