Gemeinde Glashütten : Ein „furchtbarer Jurist“ im Gemeindevorstand
- -Aktualisiert am
Außer Dienst: Roeder 1947 bei den Nürnberger Juristenprozessen Bild: United States Army Office
Wie ein Nazi-Staatsanwalt in den sechziger Jahren in Glashütten zu Amt und Würden kam, beleuchtet ein Beitrag im aktuellen Jahrbuch des Kreises. Der Umgang mit diesem Teil der Nachkriegsgeschichte sorgt in der Gemeinde für Streit.
Wie es sich für einen Nachruf gehört, findet sich darin über den Ersten Beigeordneten der Gemeinde Glashütten nur Gutes. Als „stiller, steter Arbeiter“ wird Manfred Roeder am 13.November 1971 gewürdigt, der „in unbedingter Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit und demokratischer Verantwortung seinen Weg ging“. Es ist derselbe Mann, den Angeklagte der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ und ihre Angehörigen als „einen der blutigsten und grausamsten Verfolger deutscher Antifaschisten“ erlebt hatten. Einer, der durch „Kälte und Brutalität“ auffiel. Roeder war Ende 1942 Ankläger in den Verfahren gegen 79 Beschuldigte der Berliner Gruppe um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack. Hermann Göring hatte ihn dafür ans Reichskriegsgericht abgeordnet, dessen Urteile Adolf Hitler meist als nicht hart genug empfand. Hitler stimmte dem Verzicht auf ein Verfahren vor dem Volksgerichtshof nur zu, weil er auf die Person Roeders setzte. Am Ende standen 45 Todesurteile.
Der noch 1945 zum Generalrichter ernannte Jurist lebte nicht nur unbehelligt im Taunus. Roeder, der Ende 1963 mit seiner Familie nach Glashütten gezogen war, übernahm dort auch öffentliche Ämter. Nach der Kommunalwahl 1964 bestimmten ihn die damals neun Gemeindevertreter zum weiteren Beigeordneten im Gemeindevorstand. Schon in dieser Zeit vertrat er Bürgermeister Franz Johann Gottschalk, weil der Erste Beigeordnete Hans Richter beruflich verhindert war. Nach der nächsten Kommunalwahl 1968 rückte Roeder auch offiziell zum Ersten Beigeordneten auf. Zuvor war er außerdem Ortsgerichtsschöffe geworden. Vor allem der 2014 erstmals ausgestrahlte Fernsehfilm „Verräterkinder“ über die Nachkommen der Widerständler hat vielen Menschen in Glashütten diesen Teil der Ortsgeschichte erst ins Bewusstsein gerufen. Für manche gerät damit sogar die Person des damaligen Bürgermeisters Gottschalk ins Zwielicht.
Eingriff in das Werk der Künstlerin
Die „Gottschalk-Fichte“ heißt schon lange so. Sie steht inmitten einer Station des „Waldglaswegs“, der in sieben künstlerisch gestalteten Stationen zu den im Wald ausgegrabenen Überresten der Glasproduktion im 15. Jahrhundert führt. Das große Schild, das dort seit zwei Jahren die Lebensdaten des von 1956 bis 1979 amtierenden Bürgermeisters und Verdienste wie den Bau von Sporthalle und Waldfriedhof erläutert, empfindet die Künstlerin Ines Nickchen als Eingriff in ihr Werk, mit dem sie sich bis heute nicht abfinden mag. Von ihr stammt die Idee des „Waldglaswegs“. Bürgermeisterin Brigitte Bannenberg (parteilos) verweist darauf, das Schild sei privat finanziert worden und keine offizielle Ehrung der Gemeinde. Aber es geht nicht nur um die Störung der Kunst. Für Nickchen erinnert das Schild an eine Zeit, in der es in Glashütten „einen Roeder“ gab.
Die Frage, wie Glashütten mit diesem Teil der Vergangenheit umgehen sollte, treibt nicht nur die Künstlerin um. Welche Rolle der „Nazi-Richter“ damals in der kleinen Gemeinde mit kaum 500 Einwohnern gespielt hat, untersucht Ingrid Berg in einem Beitrag für das gerade erschienene Jahrbuch 2018 des Hochtaunuskreises mit dem Titel „Kommunalpolitik mit NS-Vergangenheit?“. Die langjährige Vorsitzende des Kulturkreises Glashütten ist mit weiteren Ehrenamtlichen ohnehin seit längerem dabei, die Gemeindearchive der Ortsteile Glashütten, Oberems und Schloßborn zu ordnen. Berg versucht, Roeders Tätigkeit in Glashütten anhand der Akten nachzuvollziehen. Als einziger Jurist war er im Gemeindevorstand willkommen, denn bei den neu erschlossenen Baugebieten taten sich Rechtsfragen auf. Berg führt an, welche Spuren Roeder hinterlassen hat: Er befasste sich mit den üblichen Aufgaben eines Beigeordneten, zeichnete Belege für den abwesenden Bürgermeister ab, amtierte bei Landtags- und Bundestagswahlen als Wahlleiter und leitete nach 1968 als Erster Beigeordneter auch einmal vertretungsweise eine Sitzung des Gemeindevorstands.