Mehr Jugendarbeit gefordert : Mit dem Koran gegen die Fanatiker
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Jasmina Makarevic Bild: Kretzer, Michael
Jasmina Makarevic weiß, was nötig ist, damit junge Leute sich nicht radikalisieren. Bessere Angebote in Moscheegemeinden etwa. Doch die seien oft bequem, kritisiert die Doktorandin.
Kinder und Jugendliche zu bilden, sie zu ermutigen, selbst zu denken statt Parolen nachzuplappern, und ihnen in Familien und Gemeinden Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln – das ist für Jasmina Makarevic der wichtigste Weg, um einem islamischen Fundamentalismus entgegenzuwirken, wie er sich derzeit in Frankfurt in Gestalt des Salafismus zeigt. Wie berichtet, wurde jüngst ein Jugendhaus geschlossen, nachdem salafistische Jugendliche dort aggressiv aufgetreten waren.
Für Jasmina Makarevic sind vor allem Eltern in der Pflicht, wenn es um religiöse Bildung geht. Auch im neuen islamischen Religionsunterricht sieht sie dafür gute Chancen. Wichtig ist ihr, die schriftlichen Quellen des Islam genau zu verstehen, um falsche Generalisierungen zu vermeiden, wie sie für Fundamentalisten typisch seien. „Zu fragen ist zum Beispiel, zu welchem Zeitpunkt der Prophet was zu wem gesagt hat.“
Salafisten hingegen sehr aktiv
Sie selbst besucht gemeinsam mit einer Christin und einer Jüdin immer wieder Schulen, um über den Islam aufzuklären und für interreligiöse Verständigung zu werben. Was nicht immer einfach ist. So habe sie jüngst einen Schüler nicht von seiner Meinung abbringen können, Juden und Christen kämen in die Hölle, obwohl der Koran etwas anderes sage. „Der Junge hatte das von seinem Imam gelernt.“
Doch solche Erfahrungen entmutigen Makarevic nicht. Sie fordert auch von anderen die Bereitschaft, sich stärker für Kinder und Jugendliche einzusetzen. In Moscheegemeinden herrsche aber eine gewisse „Bequemlichkeit“. Die Salafisten hingegen seien sehr aktiv, nicht zuletzt böten sie Jugendlichen ein Gemeinschaftsgefühl. Die Vierunddreißigjährige ist überzeugt, dass dies auch in herkömmlichen Gemeinden möglich ist. „Wir versagen, wenn wir das nicht tun.“
Erfolgreich auch mit Kopftuch
Die in Stuttgart geborene Muslima hatte das Glück, als Jugendliche einen Imam gehabt zu haben, der sie und andere junge Leute gefördert hat. Ihre familiären Wurzeln liegen in Bosnien. Dorther kommt auch ihr Mann. Die beiden haben zwei sieben und neun Jahre alte Söhne. Die Biologin arbeitet am Uniklinikum. Ihre Doktorarbeit über neue Ansätze in der Therapie des Prostatakarzinoms ist fast fertig. Frankfurt kennt sie seit ihrer Studienzeit.
Im interreligiösen Dialog ist sie schon lange tätig. Aktiv ist sie auch im 2009 gegründeten „Kompetenznetzwerk muslimischer Frauen“, das 40 Mitglieder hat. Als ein wichtiges Ziel der Gruppe nennt Makarevic, Musliminnen zu ermuntern, „sich einzubringen“, zum Beispiel in Kindergärten und Schulen, in denen ihre Kinder sind. Außerdem wollen die in dem Netzwerk organisierten Frauen zeigen, dass man es in der Gesellschaft zu etwas bringen kann, auch mit Kopftuch.
Umzug nach Pakistan im August
Auch Makarevic hatte erwogen, Lehrerin zu werden, was kopftuchtragenden Frauen in Hessen nicht möglich ist. Sie wählte einen anderen Weg – und hat nun im Uniklinikum Studenten, zu denen sie spricht. „Sich zurückzuziehen bringt nichts.“ Nicht selten beraten sie und die anderen Mitglieder des Netzwerks junge Frauen bei der Berufswahl. Und immer wieder macht Makarevic die Erfahrung, dass Eltern, Väter zumal, die zunächst dagegen sind, dass ihre Töchter studieren, später stolz auf sie sind. „Man muss keine Angst haben, dass auf diesem Weg kulturelle Identität verlorengeht“, sagt sie mit Blick auf manche Eltern. „Ich sehe das eher als Bereicherung.“
Ein neuer Abschnitt in ihrem Leben beginnt im August. Dann zieht sie mit ihren Kindern nach Pakistan. Dorthin ist ihr Mann vor kurzem als Botschafter Bosniens entsandt worden. Er hatte in Frankfurt ein Software-Unternehmen, das nun von seinem Partner weitergeführt wird. Seine Regierung verspricht sich von Nedim Makarevic vor allem bessere Wirtschaftskontakte zwischen Bosnien-Herzegowina und Pakistan.
Ihre Promotion will Jasmina Makarevic bis zum August abgegeben haben. In Pakistan will sie weiter als Biologin arbeiten. Vielleicht gelingt es dem Land mit ihrer Hilfe, Kontakte zum Uniklinikum aufzubauen. So könnte auch sie zu einer Art Botschafterin werden. Aber sie will auch ihr ehrenamtliches Engagement fortführen und den interreligiösen Dialog aufbauen. Einen wichtigen Partner für das nicht gerade leichte Projekt hat sie schon: Nuntius Edgar Peña Parra, den Botschafter des Heiligen Stuhls in Pakistan.