Gedenkstunde zur Pogromnacht : „Antisemitismus ohne Scham“
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Am Mahnmal für die KZ-Opfer in Frankfurt: Gedenken an den 9. November 1938 Bild: Bernd Kammerer
Bei der Gedenkstunde der Stadt Frankfurt zieht Leo Latasch, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde, eine bittere Bilanz. Auch der Oberbürgermeister warnt vor einem erstarkenden Antisemitismus.
Die Bestandsaufnahme ist bitter: Nicht nur an den rechten und linken Rändern der Gesellschaft zeige sich zunehmend offene Judenfeindschaft, sondern auch in deren Mitte, sagte Leo Latasch, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, am Montag während der Gedenkstunde der Stadt anlässlich der Pogromnacht des 9. November 1938.

Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.
Der Antisemitismus sei nach den nationalsozialistischen Verbrechen und dem verlorenen Weltkrieg nie weg, sondern nur notdürftig verborgen gewesen. In den vergangenen Jahren habe sich aber eine „Schamlosigkeit breitgemacht“, die es zum Beispiel erlaube, dass Impfgegner den Virologen Christian Drosten mit dem NS-Mediziner Josef Mengele verglichen. Selbst in „gepflegten Kreisen“ werde darüber spekuliert, woher der angebliche Reichtum der Juden stamme, und ein renommierter Historiker rege an, einen Angriff auf einen Kippaträger „differenziert“ zu betrachten. Das „Wehret den Anfängen“ und „Nie wieder“ sei zu einer Phrase, zu einem starren Staatsritual geworden.
Latasch erinnerte an die Plünderungen und grausamen Übergriffe, die auch die Frankfurter Juden im November 1938 erlebten. Die Pogrome hätten die endgültige Entwurzelung der Juden in Deutschland zum Ziel gehabt, sie seien die Vorstufe zur sogenannten Endlösung gewesen.
Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) sagte bei dem Gedenken, das am Mahnmal für die KZ-Opfer an der Paulskirche stattfand, Frankfurt habe seinen jüdischen Bürgern viel zu verdanken. In der Pogromnacht, in der in den Synagogen die Torarollen geschändet und die Rabbiner misshandelt wurden, sei die Kulturgeschichte ins Mittelalter zurückgefallen. Auch Feldmann warnte vor einem erstarkenden, teils gewaltsamen Antisemitismus. In Halle habe nur die Holztür der Synagoge ein Massaker an der jüdischen Gemeinde verhindert.