Gartenzwerg-Ausstellung : Wetterfest zwischen Kitsch und Kunst
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Fröhliches Miteinander: Die Ausstellung „Die bunte Welt der Gartenzwerge“ im Museum in Bad Schwalbach Bild: Michael Kretzer
Der deutsche Gartenzwerg verdient die abschätzigen Blicke vieler Zeitgenossen nicht. Das Museum Bad Schwalbach setzt ihn anlässlich der Landesgartenschau ins rechte Licht.
Sein ideales Biotop ist der gepflegte Garten, das sagt schon sein Name. Doch der Gartenzwerg begann seine Karriere vermutlich im deutschen Wohnzimmer. Das zumindest hat Martina Bleymehl-Eiler bei der Erforschung der Kulturgeschichte des Gartenzwergs recherchiert. Eine Zeitungsannonce des Jahres 1884 gilt gewissermaßen als sein Geburtsdokument, denn die Anzeige dokumentiert den Auftakt bezahlbarer Massenproduktion und zeigt den Zwerg erstmals einem breiten Publikum in seinem typischen Erscheinungsbild: als fleißiger Arbeiter mit roter Zipfelmütze.
Mit der wachsenden Lust der Deutschen am Schrebergarten eroberte der Gartenzwerg als Kulturfolger nach der Jahrhundertwende das stadtnahe Grün. Künstlerisch gesehen ist es die goldene Epoche des kleinen Gnoms. Wer heute 80 Jahre alte oder noch ältere Exemplare betrachtet, ist von ihrer Ausdrucksstärke beeindruckt. Kein Vergleich mit den puppigen Billigheimern, die in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts den Markt überschwemmten, der inzwischen von fernöstlicher Billigware dominiert wird. Der völlige Niedergang kam mit einer vermeintlich nonkonformistischen, aber missbräuchlichen Darstellungsform der Zwerge, etwa als blutrünstiger Zombie, ermordet mit einem Messer im Rücken, provokativ mit erhobenen Stinkefinger oder gar in exhibitionistischer Pose.
Vielfältige Kollektion
Während für diese Verirrungen im Vorgarten das Wort „Kitsch“ mehr als gerechtfertigt ist, hat das Wort „Kunst“ für manchen Zwerg aus der Weimarer Zeit oder gar aus der vor dem Ersten Weltkrieg seine Berechtigung. Diese alten Zwerge werden bis heute unter Sammlern teuer gehandelt. Sie strahlen Ruhe und Harmonie aus, und sie zeigen Charakter. Ein für jeden Betrachter sichtbarer Unterschied zu den ausdruckslosen Posen moderner Plastikzwerge chinesischer Herkunft.
Gartenzwerg ist eben nicht gleich Gartenzwerg. Wie groß die Unterschiede sind, davon kann sich derzeit jeder ein Bild im Museum Bad Schwalbach machen. Rund 160 Zwerge bevölkern alle Räume des kleinen, hübschen Museums.

Es ist nur ein kleiner Querschnitt aus der 3000 Zwerge umfassenden Kollektion des Saarländer Sammlers Sven Berrar, ergänzt um etliche sehenswerte Exponate aus der Region. Die meisten allerdings stammen nicht aus Gärten, sondern aus Kellern.
Denn das Verhältnis zwischen Mensch und Zwerg scheint nachhaltig zerrüttet. Viele Kleinwüchsige fristen ein staubiges Dasein im Keller, weil der Mensch sich seiner schämt. Wer will heute noch Zwerge öffentlich zur Schau stellen, wenn dies womöglich als Ausdruck deutschen Spießbürgertums und als untrügliches Zeichen schlechten Geschmacks gilt? Wo also sind die geschätzt 25 Millionen deutschen Gartenzwerge? Der Gartenzwerg ist auf dem Rückzug oder schon in der Verbannung angekommen.
Dabei sind Zwerge ein untrennbarer Teil der germanischen und der griechischen Mythologie und aus Märchen und Sagen nicht wegzudenken. Was wäre aus Schneewittchen geworden, was aus Frodo Beutlin, hätte es keine Zwerge gegeben? Und welcher Spaß wäre Generationen von Kindern ohne die vergnügliche Lektüre der Abenteuer der Schlümpfe entgangen? Es sind allesamt Verwandte des Gartenzwergs. Als dessen „Urform“ gelten jene 28 Marmorskulpturen, die Johann Bernhard Fischer von Erlach für den Zwergelgarten von Schloss Mirabell in Salzburg entworfen hat. Das war immerhin vermutlich schon um das Jahr 1695 herum.
Als Reaktion auf die wachsende Verteufelung des Zwergs in der Neuzeit wurde 1981 sogar eine „Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge“ gegründet, allerdings in Basel und nicht in Thüringen, wo unzweideutig die Wiege der Gartenzwerge steht. Eher ein schlechter Scherz ist die französische „Front zur Befreiung der Gartenzwerge“, die das Entwenden der Gartenzwerge aus Gärten und die Aufstellung in freier Natur propagiert. Was in Deutschland den Tatbestand des Hausfriedensbruchs und womöglich auch des Diebstahls erfüllt, ist in mäßig spaßigen Videoclips im Internet zu sehen.
Zwerge als soziale Wesen
Diese Aktivisten übersehen völlig, dass Zwerge soziale Wesen sind, die in größeren Gemeinschaften leben und sich der Arbeitsteilung verschrieben haben. Das Aussetzen einzelner Exemplare in der Wildnis ist daher so sinnvoll wie das Freilassen einer an feines Dosenfutter gewöhnten Hauskatze im deutschen Wald. Und im Fall der biederen PVC-Gnome moderner Produktion wäre deren Aussetzung ein Umweltfrevel obendrein.
Die bunte Welt der Gartenzwerge
Die Ausstellung wird bis zum Ende der Landesgartenschau am 7. Oktober im Kur-Stadt-Apothekenmuseum Bad Schwalbach gezeigt, Pestalozzistraße 16a. Geöffnet Mittwoch bis Sonntag jeweils von 14 bis 18 Uhr, Internet www.museum-bad-schwalbach.de