Fußball-Euphorie im Landtag : Wir sind Deutschland
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Lauter Fußballfans: Die hessischen Landtagsabgeordneten. Bild: Kretzer, Michael
Die CDU im hessischen Landtag erwartet „volle Solidarität“ mit Jogis Jungs für das Spiel am kommenden Donnerstag.
Auf die Aktuelle Stunde, die die CDU für Donnerstag im Landtag angemeldet hat, darf man wahrlich gespannt sein. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Holger Bellino, erwartet nämlich nichts weniger als die „volle Solidarität“ des gesamten Hauses mit der deutschen Fußballnationalmannschaft, die am Abend desselben Tages im Halbfinale der Europameisterschaft gegen Italien antritt. Miesmachen gilt nicht, argumentiert Bellino in Richtung all jener, die mit Fußball und Nationalstolz nicht so recht warm werden können. „Patriotismus und Unterstützung der deutschen Nationalmannschaft schließen sich nicht aus“, heißt das Motto des CDU-Antrags.
„Wir können stolz auf unser Land und unsere Mannschaft sein.“ Die CDU werde Jogis Jungs jedenfalls geschlossen die Daumen drücken, stellte Bellino gestern klar, und das, obwohl er selbst ein „Achtel-Italiener“ sei. „Wir freuen uns darüber, dass viele Menschen in Hessen ihrem Nationalgefühl Ausdruck verleihen und ihre Häuser und Autos mit unseren Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold schmücken.“ Von einem „aufgeklärten Patriotismus“ könne Deutschland in vielfältiger Weise profitieren, und es gebe schließlich zahlreiche Gründe, „stolz auf unser Vaterland zu sein“. Die Bundesrepublik sei ein erfolgreiches Exportland mit einer weltberühmten Innovationskraft und die deutsche Nationalelf ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Dafür sprächen schon die Namen der deutschen Spieler: Boateng, Gündogan, Khedira, Özil, Podolski und Gomez glänzen neben Neuer, Lahm, Schweinsteiger, Bender und Müller.
Keine Kampfansage
Der Antrag, eine sportlich-patriotische Landtagsdebatte zu führen, sei nicht bierernst gemeint und schon gar keine Kampfansage an die Linkspartei, beteuerte Bellino am Montag auf Anfrage. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Janine Wissler, deutete indes bereits an, dass die Diskussion über Deutschlands Kicker möglicherweise doch politische Dimensionen habe. Sie konterte den angeblich gutgemeinten CDU-Vorstoß mit der ernüchternden Feststellung: „Schwachsinn und CDU schließen sich nicht aus.“ Man könne sich, so Wissler, über guten Fußball auch ohne patriotische und nationalistische Gesinnung freuen.
Von wegen Freundschaftsspiel: Noch ist offen, ob die Landtagsdebatte von verbalen Blutgrätschen geprägt sein wird oder ob die Parlamentarier fraktionsübergreifend „La Ola“ einstudieren und sich am Ende, schwarzrotgoldene Fähnchen schwingend, in den Armen liegen. Wenn es gutgeht, hofft Bellino, versammeln sich die Abgeordneten von CDU, SPD, FDP, Grünen und Linkspartei am Abend in trauter Eintracht vor dem Großbildschirm und jubeln Deutschland zum Sieg.