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Freigabe des Krönungsweges : „Ich steh’ auf der Kaiserpromenade“

Schaulustige: Anhand von Plänen konnten sich die Besucher auf der fast fertigen Altstadt-Baustelle orientieren. Bild: Frank Röth

Mit dem Pudel in die Altstadt: Gestern wurde für einen Tag der Krönungsweg geöffnet. Fragt man die Frankfurter, wie es ihnen gefällt, hört man interessante Kommentare.

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          Es ist noch etwas diesig, als der Krönungsweg endlich für das gemeine Fußvolk freigegeben wird. Morgens um halb zehn hat Michael Guntersdorf schon 170 Besucher gezählt. Da ist der Bauzaun am Römerberg gerade erst eine halbe Stunde geöffnet. Rechnet man diese Anzahl auf acht Stunden hoch, bis das Vorhängeschloss am Zaun um 17 Uhr wieder zuschnappt, kommt man auf knapp 3000 Besucher, die sich gestern die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten, die neue Altstadt erstmals mit eigenen Augen zu betrachten. Guntersdorf, Chef der Dom-Römer-GmbH, stapelt lieber tief. „Die Tausend werden wir wohl voll bekommen“, sagt er und beißt in ein Bratwurstbrötchen.

          Rainer Schulze
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Vor der Baustelle hat die Feinkostmetzgerei Dey eine Imbissbude aufgestellt. Der Familienbetrieb wird mit einem Geschäft ins „Neue Rote Haus“ am Krönungsweg ziehen und dort Frankfurter Würstchen und Grüne Soße anbieten. Weil die Baustelle aber noch nicht fertig ist, muss vorerst eine mobile Imbissbude am Eingang genügen. „Willkommen bei Ihrem Altstadt-Metzger“ hat Geschäftsführer Steffen Fries auf eine Tafel geschrieben. Er freut sich schon auf die Eröffnung der Altstadt-Filiale, denn das Traditionsgeschäft aus der Kleinmarkthalle gibt es schon seit 1934. Schon damals hat es die Schirnen in der Altstadt mit Fleisch- und Wurstwaren beliefert.

          „Einfach großartig“

          Die Glocken im Domturm schlagen zehn Uhr. Immer mehr Menschen strömen auf die Baustelle. Viele alte, aber auch junge Leute. Mit Rollator, Spazierstock, Fahrrad, Hund und Kinderwagen. Auch ein Mitarbeiter der städtischen Bauaufsicht hat sich unter die Besucher gemischt, quasi inkognito. Und? „Einfach großartig“, schwärmt er.

          Das ist auch das Urteil der meisten Besucher, die fröstelnd in langen Mänteln vor den Altstadthäusern stehen. Kritische oder skeptische Stimmen hört man nur selten. Viele haben Fotoapparate mitgebracht und knipsen, was das Zeug hält. Ein Mann steht mit seiner Kamera vor dem „Haus Würzgarten“, einer Rekonstruktion am Krönungsweg, und ist in seinem Urteil noch etwas ambivalent. Einzelne Neubaufassaden wie die des rostbraun gestrichenen „Alten Kaufhauses“ (Markt 30) gefallen ihm sehr gut, andere links daneben erinnern ihn zu sehr „an die fünfziger Jahre“, wie er sagt. Aber die Altstadt sei ja auch noch „völlig unfertig“, meint er. „Was das alles gekostet hat“, grübelt er noch laut im Weitergehen und meint, mit dem Geld hätte man natürlich auch die eine oder andere Schule sanieren können.

          Zweifler in der Minderheit

          Mit seinen Zweifeln ist er in der Minderheit. Die meisten Besucher sind voll des Lobes. Besonders das „Neue Paradies“, ein schwarz verschieferter Neubau an der Ecke zum Hühnermarkt, gefällt vielen. Gäbe es einen kleinen Schönheitswettbewerb der Neubauten in der Altstadt, das „Neue Paradies“ hätte gute Chancen auf den Tagessieg.

          Am Krönungsweg hat Markus Schüller seine Drehorgel aufgestellt. Gerade legt er eine neue Papierrolle mit Lochbändern ein. „Schön, ein Musikant zu sein“, „Aus Böhmen kommt die Musik“ und ähnliche Lieder erklingen. Seine Drehorgel funktioniere noch rein pneumatisch, sagt er stolz und erklärt die Technik. Andere Kollegen arbeiteten längst mit versteckten MP3-Playern und drehten an einer bloßen Attrappe die Kurbel. Schüller kommt aus dem Gallus und findet die Altstadt-Kulisse für seine Musik ganz passend. Handschuhe trägt er trotz der eisigen Temperaturen nicht. Aber einen rot, gelb und grün geringelten Schal.

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