
Umfrage unter Frankfurter Muslimen : Unislamische Attentäter, verletzende Zeichnungen
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Auch Ahmet Ayaou, dem Sprecher der Gemeinde, geht es so. „Für mich und viele Muslime ist das eine Beleidigung.“ Diejenigen, die das machten, wollten damit provozieren. „Aber man darf nicht darauf eingehen.“ Imam Azaoum predigt auch von Meinungsfreiheit und dass sie in den Grenzen des Gesetzes erfolgen soll. Man müsse Religionsfreiheit ebenso schützen wie Meinungsfreiheit, sagt er.
Auch wenn jüngst an der Battonnstraße ein marokkanisches Geschäft verwüstet wurde, berichtet niemand von Auseinandersetzungen mit Nicht-Muslimen. Ein junger Mann, der vor einem Jahr aus der Nähe von Fes nach Frankfurt gekommen ist, um Wirtschaftsinformatik zu studieren, sagt, sein deutscher Chef in seinem Nebenjob habe ihn sogar zum Freitagsgebet gefahren. Aber er habe Angst, dass es schlechter werden könnte. Die Diskussion in den Medien könnte die Leute aufhetzen. Auch deswegen predigten sie in der Taqwa-Moschee immer zu aktuellen Themen, sagt Azaoum. „Wir wollen hier unsere Sichtweise darlegen.“ Wenn jemand herkommt mit Wut im Bauch, soll er Antworten finden. „Es ist wichtig, dass wir auf Arabisch predigen“, sagt Ayaou. Nicht alle verstehen gut Deutsch, nicht alle lesen Zeitung. Das Problem aber sei, dass man nur die erreiche, die in die Moschee kämen, sagt Ayaou. „Viele Jugendlichen holen sich ihren Islam anderswo.“ Etwa von Propagandaseiten im Internet oder von Hallenveranstaltung salafistischer Prediger. „Das ist sehr gefährlich für uns.“ (cbor.)
Bosnische Moschee, Bahnhofsviertel
Mit seinem Anstecker in Form einer Blume gedenkt Munir Hodžić seit Jahren jeden Tag der Opfer des Massakers von Srebrenica. „Wir Bosniaken wissen, was die Tötung Unschuldiger bedeutet“, sagt er. Nach dem Bosnienkrieg habe er Zuflucht gefunden in Deutschland, in einer freien und friedlichen Gesellschaft. In seiner Rede im Freitagsgebet hat der Imam deshalb etwas Selbstverständliches gesagt: Die Verletzung religiöser Gefühle rechtfertige keine Gewalt.
Diese Rede hat den Männern gefallen, die von der Moschee des bosniakischen Zentrums in den Vereinsraum strömen. Das Zentrum liegt im Bahnhofsviertel, etwas versteckt in einem Hinterhof zwischen Kiosk und Thai-Imbiss. Manche der Männer tragen Krawatte, manche Trainingshose, sie rauchen, trinken Kaffee oder Fanta, der Fernseher läuft. „Ich habe selbst Angst vor Terror, wenn ich mit der U-Bahn fahre“, sagt ein Mann mit ergrauten Schläfen im Anzug. „Gott ist eins, ob er Allah oder Gott heißt“, ein anderer: „Viele von uns sind mit katholischen Frauen verheiratet.“ Nur ein Mann in Regenjacke ist überzeugt, dass ein westlicher Geheimdienst hinter dem Attentat stecke, wie es auch schon beim Anschlag auf das World Trade Center gewesen sei.
Die Bosniaken bezeichnen sich als die einzigen europäischen Muslime, leben einen liberalen Islam. Dennoch fühlen sie sich genötigt, Stellung zu beziehen: Noch am Tag des Anschlags verurteilte die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland ihn als „Barbarei“ und „größtmögliche Gotteslästerung“.
„Es ist bedrückend. Wir können nichts dafür und leiden doch darunter“, sagt auch Meris Cerić. Der Einundzwanzigjährige ist Jugendbeauftragter des Zentrums. Er arbeitet bei der Polizei. Er fühlt sich manchmal zu Unrecht von Deutschen verdächtigt, nicht erst seit Paris: Schon in der Schule hätten ihn Klassenkameraden als „Bombenleger“ bezeichnet. Der dunkelblonde junge Mann mit Brille betrachtet sich trotzdem zu hundert Prozent als Deutschen. Und gleichzeitig hundertprozentig als Bosnier. „Auch wenn das rechnerisch nicht geht.“