Frankfurter Kulturpolitik : „Das erste Bürgerrecht ist Teilnahme“
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Der Bund sollte auch Einrichtungen wie den Mousonturm fördern, wie der Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft fordert Bild: Irl, Maria
Oberbürgermeister Peter Feldmann lud zum Gespräch in den Frankfurter Mousonturm. Und erläuterte seine Thesen zu Kultur und Kulturpolitik.
Später am Abend plauderte der Frankfurter Oberbürgermeister schließlich noch mit Fidel Castro und Che Guevara. Bei einer Kurzführung durch das Künstlerhaus Mousonturm traf Peter Feldmann in der Probebühne auf eine Schauspielertruppe, die gerade ein multimediales Stück über allerlei revolutionäre Bewegungen vorbereitet. Dem SPD-Stadtoberhaupt bereitete es sichtliches Vergnügen, mit den ziemlich realitätsnah kostümierten und geschminkten Mimen für ein Erinnerungsfoto zu posieren. Es war der Abschluss eines Nachmittags, an dem es um ein Thema ging, das einer in der Stadt weitverbreiteten Meinung nach nicht zu den Hauptinteressen der Magistratsspitze gehört. Auch um diesem Eindruck entgegenzuwirken, hatte Feldmann zu einem Kulturgespräch im Zentrum der Avantgarde geladen. Zwei sozialdemokratische Kulturpolitiker von Rang waren gekommen, der frühere Essener Kulturdezernent Oliver Scheytt, heute Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, und Hilmar Hoffmann, dessen Motto „Kultur für alle“ es Feldmann besonders angetan hat.

Kulturredakteur der Rhein-Main-Zeitung.
Der frühere Frankfurter Kulturdezernent und langjährige Präsident des Goethe-Instituts kam in dieser Runde auf sozialdemokratische Grundgedanken zur Kultur zurück, die sich durchaus mit denen des Oberbürgermeisters deckten: Nur zehn Prozent der Bevölkerung besuchten Theater, daher müsse die ästhetische Bildung in der Schule beginnen, später finde man nur noch schwer einen Zugang zu solchen Angeboten, sagte Hoffmann. Auch kritisierte er scharf, dass die Zahl der Bürgerhäuser in den vergangenen Jahren drastisch verringert und sie finanziell ausgetrocknet worden seien. Sein ursprüngliches Konzept sei gewesen, dort verschiedenen Gruppen Raum zu geben, um ihre Kultur zu präsentieren. Damals sei es schon um Integration von Zuwanderern, Stadtteilkultur und Feste gegangen, bei denen Menschen unterschiedlicher Herkunft eine gemeinsame Basis finden konnten. Damit rückte er besonders nah an Positionen Feldmanns heran.
Einer Meinung war er mit ihm auch darin, dass das Land und das Umland stärker bei der Finanzierung der Frankfurter kulturellen Institutionen eingebunden werden müssten. Oliver Scheytt fügte die bundespolitische Dimension hinzu: Ein Haus wie der Mousonturm sei wichtig für die Identität eines „europäischen Deutschlands“ und daher förderungswürdig auch für den Bund. Dieser dürfe nicht allein auf die repräsentativen Großereignisse wie Bayreuth schauen, sondern auch auf zeitgenössische Darstellungsformen. Sie seien auch für die Außendarstellung von großer Bedeutung, zumal sich allenthalben vermehrt der Unwille über ein „deutsches Europa“ äußere.
Feldmann sagte, Frankfurt sei in Fragen der Kultur immer sehr offen gewesen, was seine Biographie entscheidend geprägt habe. Er sei vielleicht nicht der „klassische Premierengast“, habe aber das kulturelle Angebot in der Stadt immer genutzt. „Das erste Bürgerrecht ist Teilnahme“, führte er aus, insofern könne er nahtlos an Hoffmanns Slogan „Kultur für alle“ anknüpfen. Kultur sei Teil der Sozialpolitik, lautet Feldmanns zentrales Credo. Es gehe um die Verbesserung der sozialen Verhältnisse. In diesem Sinn sei Kultur ein „permanenter Prozess“, zitierte er den früheren französischen Kulturminister Jack Lang. Der Oberbürgermeister sprach sich gegen eine „Kulturpolitik von oben“ aus, Kulturförderung sei vielmehr eine Serviceleistung: „Die Bürger sind die eigentlichen Träger des kulturellen Lebens.“ Das hohe Niveau, das die Kultur in Frankfurt habe, müsse erhalten werden, fuhr Feldmann fort, aber eine „Verbreiterung“ sei notwendig. „Es gilt, immer wieder einen Prozess der Öffnung anzustoßen.“ Dem Markt könne man dies nicht überlassen, hier sei staatliches Handeln gefragt.
Auf ein paar eigene kulturpolitische Erfolge konnte Feldmann schon verweisen: So habe er eine größere Summe eingeworben, um ein Programm der Alten Oper für Kinder in die Stadtteile zu bringen. Die Nachfrage sei riesig gewesen: „Nach 24 Stunden war alles ausverkauft.“ Er nannte außerdem Projekte von Städel und Schirn, um Jungen verstärkt anzusprechen, und die Aktivitäten des Schauspiels außerhalb ihrer angestammten Spielstätte. „Kultur ist nicht Kunst“ ist eine weitere These aus Feldmanns kulturtheoretischem Fundus: Mit dieser Formel wehrt er sich gegen einen elitären Kulturbegriff. Schließlich wandte er sich gegen ein „Wachstumsdiktat“, das auch die Kultur im Griff habe. Matthias Pees, seit 14 Tagen Mousonturm-Leiter, pflichtete Feldmann bei: Der soziale Aspekt sei bei vielen Produktionen der nicht an ein Schauspielhaus gebundenen Gruppen heute entscheidend. Es gehe stets darum, wie Menschen gemeinsam handelten.