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Nominierungsparteitag der AfD : Gottes Werk und Frankfurts Beitrag

  • -Aktualisiert am

Kandidaten: Joana Cotar und Patrick Schenk Bild: Lakuntza, Nerea

Patrick Schenk und Joana Cotar treten für die AfD im Bundestagswahlkampf an. Aber die Mittelhessin mit rumänischen Wurzeln will mehr – und greift in den Richtungskampf der Bundespartei ein.

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          Fast scheint es so, als hätte die AfD schon bessere Zeiten hinter sich gehabt. Nur etwas mehr als 30 der 174 Frankfurter Parteimitglieder waren am Samstag in den Saalbau am Frankfurter Südbahnhof gekommen, um Patrick Schenk und Joana Cotar für die beiden Bundestagswahlkreise als Direktkandidaten zu nominieren. Aber erstens war das Wetter schön, und zweitens zeigt sich die AfD in Hessen – anders als im Bund – zurzeit vergleichsweise geschlossen. Vorbei sind frühere Höhenflüge, nachdem die Partei bei den Kommunalwahlen im März hessenweit fünf Prozentpunkte und im Frankfurter Kreisverband rund 60 Mitglieder in den vergangenen anderthalb Jahren verloren hat. Die Frankfurter AfD macht dafür vor allem den Bundestrend verantwortlich – und hofft auf thematischen Rückenwind durch die Debatte um Freiheitsrechte in der Corona-Pandemie.

          Im anstehenden Bundestagswahlkampf treten dafür in Frankfurt Patrick Schenk und Joana Cotar an. Der frühere CDU- und BFF-Politiker Schenk, ein langjähriger Stadtverordneter, bewirbt sich im Wahlkreis 182, den aktuell noch der CDU-Politiker Matthias Zimmer als direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag vertritt, um ein Mandat. Schenk verkniff sich am Samstag eine „programmatische Rede“, wie er sagte, und verließ sich, ironischerweise wie einst in ähnlicher Weise Angela Merkel, auf das gute Gedächtnis des Publikums: „Wofür ich stehe, das wissen Sie aus der Kommunalpolitik.“ Bei der Kommunalwahl am 14. März war er als Frankfurter Spitzenkandidat der AfD angetreten. Bei der Abstimmung am Samstag vereinte er alle 32 gültigen Stimmen auf sich. „Nordkoreanische Verhältnisse“, witzelte daraufhin Versammlungsleiter Markus Fuchs, Stadtverordneter der AfD und stellvertretender hessischer Parteisprecher.

          Stehende Ovationen für Rede von Joana Cotar

          Im Wahlkreis 183, den die CDU-Politikerin Bettina Wiesmann 2017 gewann, tritt die Bundestagsabgeordnete und Digitalpolitikerin Joana Cotar für die AfD an. Sie erhielt von 33 gültigen Stimmen 32 Ja-Voten – und eine Nein-Stimme. Auch Cotar, die in Mittelhessen verwurzelt ist, ist keine Unbekannte: Sie war bereits kurz nach der Gründung der AfD vor acht Jahren Ko-Vorsitzende der Partei in Hessen. Im Gegensatz zu Schenk hielt sie eine typische Programmrede, wetterte gegen „Gender-Gaga“, die „bewusste Zerstörung des Landes“ und war der Meinung, „dass man als Frau nachts nicht mehr auf die Straße gehen kann“. Dafür erhielt sie stehende Ovationen im übersichtlich gefüllten und männlich dominierten Saalbau. Auch die frühere Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, die aus Frust über den angeblichen Linksschwenk 2017 aus ihrer Partei ausgetreten war, wollte Cotar am Samstag unterstützen: „Ich halte sie für eine exzellente Politikerin.“ Die Gelobte hatte Steinbach zuvor explizit in ihrer Rede erwähnt: „Die CDU wäre eine bessere Partei, wenn Sie das Sagen hätten.“ Sowohl Cotar als auch Schenk ist klar, dass sie kaum Chancen haben, ihre Wahlkreise direkt zu gewinnen. Cotar aber ist auf der Landesliste auf Platz zwei abgesichert, Schenk nur auf Platz 17 gelistet.

          Dass Frankfurt zumindest in den nächsten Wochen in den Fokus der Bundes-AfD und einer größeren medialen Öffentlichkeit rücken dürfte, hat damit zu tun, dass die 48 Jahre alte Cotar, die rumänische Wurzeln hat, gegen Bundessprecher Tino Chrupalla und die Ko-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, im Kampf um die Spitzenkandidatur antritt. Cotar wollte dafür eigentlich Chrupalla gewinnen, um die „verschiedenen Strömungen in der Partei zu befrieden“, sagte sie, doch der hat abgewiegelt – und versucht es nun mit der wesentlich bekannteren Weidel.

          Nach der Absage Chrupallas musste ein neuer Partner her, und den fand Cotar kurzfristig in dem früheren Bundeswehr-Offizier Joachim Wundrak, der ebenfalls am Samstag nach Frankfurt gekommen war, um sich an der Seite Cotars als Duo der Öffentlichkeit zu zeigen. Wundrak stammt ursprünglich aus Kerpen in Nordrhein-Westfalen und konnte sich im vergangenen Jahr überraschend in Niedersachsen gegen Armin-Paul Hampel durchsetzen, wo er nun als Spitzenkandidat antritt. Der 65 Jahre alte ehemalige Generalleutnant der Luftwaffe ist seit gut drei Jahren in der AfD, 2018 ging er in den Ruhestand. Seine Parteimitgliedschaft machte er erst danach öffentlich, aus Sorge vor beruflichem Ärger und Ressentiments wegen seines Engagements in der Rechtsaußen-Partei. „Sonst wäre meine Arbeit nicht mehr möglich gewesen“, sagte er. „Das ist höchst traurig in unserem Land.“ Wundrak und Cotar werden dem als gemäßigt bezeichneten Lager des Bundessprechers Jörg Meuthen zugerechnet, während Chrupalla und Weidel um die Unterstützung der östlichen und radikaleren Landesverbände rund um Björn Höcke wissen. Der Wettstreit um die Spitzenkandidatur wird deshalb von vielen auch als Richtungsentscheidung gewertet. Die Sieger sollen im Mai ermittelt werden. Dass Cotar nun in Frankfurt antritt, wertet die hiesige Parteiführung um Fuchs und den Kreisvorsitzenden Andreas Lobenstein als „Zeichen“ in der Standortbestimmung der Partei. Der Kampf geht weiter in der AfD, nun auch mit Frankfurter Unterstützung.

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