Faesers Vorwürfe an Länder : Wie Hessen mit dem Berliner Geld für Flüchtlinge umgeht
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Im letzten Jahr wieder reaktiviert: Auch in den Jahren 2015/16 hatte der Landkreis Bergstraße auf dem Festplatz in Bensheim ein Zeltlager errichtet, das Schutzsuchenden als erste Bleibe diente. Bild: Patricia Kühfuss
Das Land zahlt den Kommunen für die Bewältigung der Migration ein Vielfaches der Mittel, die es vom Bund bekommt. Es geht um insgesamt fast 800 Millionen Euro.
Leiten Hessen und andere Bundesländer das Geld, dass sie vom Bund für die Versorgung der Flüchtlinge bekommen, nicht vollständig an die Kommunen weiter? Diese Frage spielt eine besondere Rolle, seit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sich zu dazu am Sonntagabend im ZDF äußerte.
Nach den Hilfen für die durch die Zuwanderung unter Druck stehenden Kommunen befragt, stellte Faeser fest, dass der Bund im vergangenen und in diesem Jahr Milliarden bewilligt habe. „Aber wir drängen auch darauf, dass die Länder dieses Geld eins zu eins weitergeben“, betonte die Sozialdemokratin. „Das ist nicht in jedem Bundesland der Fall.“
Die Äußerung interessiert zum einen die Kommunalpolitiker, die auf finanzielle Hilfen angewiesen sind. Darüber hinaus spielt sie in der neuen Konstellation eine Rolle. Die Bundesministerin fordert als SPD-Kandidatin bei den Landtagswahlen den hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) heraus. Auseinandersetzungen über die Flüchtlingspolitik gehören zum Vorwahlkampf.
Streit um Weiterleitungsquote
Außerdem spielt die Frage im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsgipfel eine Rolle, zu dem Faeser die Vertreter der Kommunen nach Berlin einladen will. Der Landkreistag hat bereits moniert, dass von Seiten des Bundes nur die Innenministerin komme. Dies reiche nicht aus, weil sie für Finanzfragen keine Zuständigkeit habe. (F.A.Z. vom 7. Februar)
In Hessen kam die einschlägige Diskussion schon in den Beratungen des inzwischen verabschiedeten Doppelhaushalts auf. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Marius Weiß, bemängelte, dass von einer Überweisung des Bundes ans Land nach den Plänen der schwarz-grünen Koalition nur ein Teil unmittelbar an die Länder weitergeleitet werden sollte. Dies fiel der SPD besonders unangenehm auf, weil Rhein in einem Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland feststellte, dass die pauschale Summe, die Bund Länder ausgehandelt hätten, angesichts des „Zuzugsgeschehens“ nicht ausreichten. „Das muss der Bundeskanzler einsehen.“
Bevor der Ministerpräsident mehr Geld vom Bund fordere, solle er erst einmal dafür sorgen, dass die Bundesmittel auch vollständig bei den hessischen Kommunen ankämen, entgegnete Günter Rudolph, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag. Doch die eingeforderte komplette Weiterleitung ist zwischen Bund und Ländern offensichtlich nicht vereinbart worden.
800 Millionen Euro für die Kommunen
Eine Sprecherin des hessischen Finanzministeriums führt den im Internet veröffentlichten Beschluss der Regierungschefs in Bund und Ländern vom 2. November ins Feld. Darin werden Milliardenbeträge aus dem Bundesetat für die Jahre 2022 und 2023 zugesagt. Am Ende des Absatzes ist festgehalten, dass die finanzielle Unterstützung des Bundes „auch“ den Kommunen zugutekommen soll.
„Genau dies hat Hessen gemacht“, heißt es in der Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage der F.A.Z. Mit der Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände habe das Land 2022 mehr als 70 Prozent der Bundesmittel weitergeleitet. Für das nächste Jahr sei einvernehmlich eine Weiterleitungsquote von 50 Prozent festgelegt worden.
Die beim Land zunächst einmal verbleibenden Mittel würden allerdings auch für Aufgaben eingesetzt, die durch Flucht und Vertreibung entstünden, heißt es im Ministerium. So finanziere man damit beispielsweise die Erstaufnahme oder die Integration von geflüchteten Kindern in den Schulunterricht.
Zusammen mit der Weiterleitung der zusätzlichen Bundesmittel in Höhe von 186 Millionen Euro habe Hessen den Kommunen im Jahr 2022 insgesamt knapp 796 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, so die Sprecherin des Finanzministeriums. Das Land trage also einen Großteil der finanziellen Lasten und zahle erheblich mehr Geld an die Kommunen aus, als es vom Bund erhalte.