Weihnachtsmarkt : Jedes Jahr ein Engel
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Was darf’s denn sein? 3000 Artikel haben die Oppermanns im Angebot Bild: F.A.Z. - Bergmann
Das Ehepaar Oppermann verkauft erzgebirgische Schnitzereien auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt. Die beiden hoffen auf viele Kunden - denn bald wird der Stand abgebaut.
Kein Glühwein für Günter Oppermann. Schon der Geruch nervt ihn. Lieber trinkt er Tee aus seiner Thermoskanne. Ist vielleicht auch besser, schließlich muß Oppermann dort arbeiten, wo andere mit Feuerzangenbowle oder eben Glühwein anstoßen. Und bei der Arbeit muß er aufmerksam sein. Denn Oppermann verkauft erzgebirgische Holzschnitzereien auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt, und wer denkt, das könne ja jeder, braucht dem 66 Jahre alten Händler nur mal einen Abend Gesellschaft zu leisten an seinem Stand auf dem Römerberg.
Mit der Berufserfahrung fängt es schon an. Seit 1948 verkauft Oppermann Engel, Pyramiden und Schwippbögen; anfangs als kleiner Junge mit den Eltern, längst arbeitet seine Frau Sylvia mit. Die beiden haben fast 3000 Artikel im Sortiment, die sie einmal im Jahr im Erzgebirge aussuchen. Das billigste Stück, das sie anbieten, ist der Holzmarienkäfer für zehn Cent, das teuerste die Spieluhr für 180 Euro. Im Internet Ware zu bestellen kommt für Oppermann nicht in Frage. Der Rentner versucht stets, die Trends vorauszuahnen. Was sich im vergangenen Winter noch gut verkauft hat, kann ein Jahr später als Ladenhüter enden.
Mittelmäßige Einnahmen
Der Fachhändler zeigt auf eine Pyramide aus blau lackiertem Holz, die vom Dach des großen Standes herunterhängt. „Die waren 2005 sehr beliebt. Dieses Jahr haben wir noch keine einzige verkauft.“ Naturholz liege im Trend. „Engel, Standsänger und Krippenfiguren gehen immer“, weiß Oppermann. Eine Stammkundin bleibt mit ihrer Enkelin vor seiner Verkaufsbude stehen. „Guck mal, der Querflötenengel“, ruft das Mädchen. „Den hat die Oma schon, das weiß ich“, sagt Sylvia Oppermann und lacht. Minuten später wendet sich ein junger Mann an die Verkäuferin: „Ich schenke meiner Freundin ja jedes Jahr einen kleinen Engel zu Weihnachten. Aber ich weiß nicht mehr genau, aus welcher Serie.“ Sylvia Oppermann zeigt auf kleine Figürchen mit schwarzem Fuß. „Die sind's, oder?“ Der Mann nickt, sucht sich einen Engel mit Akkordeon aus - und sie holt die passende Schachtel aus dem Lagerraum des Verkaufswagens.
Groß sei der Reingewinn trotz der vielen Arbeit nicht, sagt Oppermann. Der Verdienst entspreche „dem Monatslohn eines sehr guten Arbeiters“. Die Standgebühren von etwa 4000 Euro, Parkgebühren, die Versicherung des Standes für 280 Euro, die 146 Euro Miete für das EC-Karten-Lesegerät und die Frachtgebühren für die Ware aus dem Erzgebirge: das alles wieder hereinzuholen dauere seine Zeit. Dieses Mal seien die Einnahmen mittelmäßig gewesen, etwa wie im vergangenen Jahr. Die asiatischen Touristengruppen, hat Sylvia Oppermann festgestellt, fotografieren zwar sehr viel, kaufen aber kaum Schnitzereien aus dem Erzgebirge.
An jedem Weihnachtsmarkttag auf dem Römer
Das Ehepaar hofft auf die Kunden, die in letzter Minute noch Geschenke auf dem Weihnachtsmarkt kaufen - und dafür heute in Frankfurt tatsächlich die letzte Gelegenheit haben. Von 19 Uhr an ist bei den Oppermanns meist weniger los: „Da gehen die Leute zum Glühweintrinken über.“ Dann gibt es Abendbrot im Schnitzereienstand. Morgens um sechs Uhr hat Sylvia Oppermann gekocht, Sauerbraten mit Rotkohl und Knödeln. Hinten im Wagen macht sie das Essen warm für sich, ihren Mann und die beiden Mitarbeiter.
Die 44 Jahre alte Frau hat in ihrem Leben keine anderen Weihnachtsmärkte besucht als den ihrer Heimatstadt Mannheim und den Frankfurter. „Ich arbeite jedes Jahr hier“, sagt sie, „wann sollte ich zu den anderen fahren?“ Auch ihr Mann ist seit Jahrzehnten an jedem Weihnachtsmarkttag auf dem Römer. Selbst als sein Vater zwei Tage vor Heiligabend starb, verkaufte er die Holzfiguren trotzdem weiter, um den Stand nicht schließen zu müssen. Denn das verbietet die Weihnachtsmarktordnung. Auch mit Fieber und bei Eiseskälte, wenn ihnen innerhalb von Sekunden der Tee in der Tasse einfriert, stehen die Oppermanns in ihrer Bude.
Nur ein paar Holzfiguren und eine extra für sie angefertigte Krippe hat das Ehepaar in seiner Wohnung. „Wenn man das Zeug jeden Tag sieht“, sagt Günter Oppermann, „muß man nicht so viel davon zu Hause haben.“