https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/vorsitzende-der-stiftung-pfadfinden-zelten-auch-wenn-es-nicht-so-warm-ist-18789153.html

25 Jahre Stiftung Pfadfinden : „Zelten, auch wenn es nicht so warm ist“

  • -Aktualisiert am

Natur statt Handy: Rund 5000 Ehrenamtliche des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) kamen im vergangenen Sommer in Bayern zusammen. Bild: BdP

Interessieren sich Jugendliche noch fürs Pfadfinden? Auf jeden Fall, meint die Vorsitzende der Stiftung Pfadfinden, die fünfundzwanzigjähriges Bestehen feiert: Die Natur erleben werde immer wichtiger.

          3 Min.

          Karin Dittrich-Brauner ist seit der Gründung im Jahr 1998 Vorstandsvorsitzende der Stiftung Pfadfinden, die Projekte des Bunds der Pfadfinderinnen und Pfadfinder fördert. Die Psychologin hat an der Universität Gießen mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie studiert. Auf den Berufseinstieg als Betriebspsychologin in der Aus- und Weiterbildung der Hoechst AG folgte eine Tätigkeit als selbständige Beraterin. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Dittrich-Brauner für die PfO Beratungsgesellschaft, seit 2017 als Geschäftsführende Gesellschafterin. Im gleichen Jahr wurde sie für ihr ehrenamtliches Engagement mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet.

          Kim Maurus
          Redakteurin in der Rhein-Main-Zeitung.

          Frau Dittrich-Brauner, Kinder und Jugendliche verbringen immer weniger Zeit draußen. Müssen Sie manchmal erklären, was Pfadfinden eigentlich ist?

          In Deutschland sind Pfadfinderinnen und Pfadfinder nicht so bekannt, aber das ist regional unterschiedlich. Dort, wo es aktive Ortsgruppen gibt, also Stämme, gibt es häufig Zulauf aus der Umgebung. Gerade hat sich bei Gießen eine Gruppe neu gegründet, da wollten innerhalb von wenigen Wochen 50 Kinder und Jugendliche mitmachen. Es gibt ja auch den Trend zum Waldkindergarten. Viele Eltern sagen: Es ist sinnvoll, wenn mein Kind viel draußen unterwegs und nicht nur zu Hause ist. Daran knüpft das Pfadfinden an.

          Also ist es überzogen zu sagen, dass Kinder sich nicht mehr für die Natur begeistern?

          Natürlich ist es eine Herausforderung, Kinder und Jugendliche wegzulocken von digitalen Medien, weil die sehr attraktiv sind und bindend, aber oft gelingt es auch mit ganz einfachen Mitteln.

          Zum Beispiel?

          Einfach Aktionen draußen machen, im Freien übernachten, Spiele mit anderen. Wanderungen, Zelte aufbauen, Feuer machen, Stockbrot braten. Manchmal legen die Gruppen auch fest, dass das Handy zu Hause bleiben soll. Dann hat nur einer eins dabei für den Notfall. Es gibt auch Jugendliche, die von sich aus sagen, ich will mal nicht erreichbar sein.

          Schwinden bei den Pfadfindern, wie in Sportvereinen, auch die Mitglieder?

          In der Corona-Zeit gab es keine Aktivitäten, deshalb sind zwar nicht viele ausgetreten, aber es sind eben auch keine neuen Mitglieder dazugekommen. Viele Gruppenleitungen haben versucht, andere Angebote zu machen, Zelten im Wohnzimmer, Online-Gruppenstunde. In der Regel kann man mit acht Jahren bei uns mitmachen. Jetzt fehlen manche Jahrgänge.

          Für wen ist Pfadfinden das Richtige?

          Für alle, die Lust haben, etwas in kleinen Gruppen zu machen – was, das ist ziemlich variabel. Das können sie selbst bestimmen. Alles ist möglich von Handwerken, Spielen bis zu Erkundungen oder sich im Ort engagieren. Aber es gibt Schwerpunkte: Natur erleben, sich selbst erleben in Herausforderungen; zu zelten, auch wenn es mal nicht so warm ist. Und auch die Begegnung mit Stämmen aus anderen Ländern. Pfadfinden gibt es auf der ganzen Welt. Als Stiftung fördern wir, dass auch Pfadfinderinnen und Pfadfinder, die es sich nicht leisten können, das erleben können. Gerade haben wir zum Beispiel einen Antrag einer Gruppe, die nach Chile fahren möchte. Das ist natürlich teuer.

          Karin Dittrich-Brauner
          Karin Dittrich-Brauner : Bild: privat

          Ihre Stiftung feiert an diesem Freitag fünfundzwanzigjähriges Bestehen im Frankfurter Römer. Ist es schwieriger geworden, Stiftungswillige zu finden?Nein, es wird leichter. Am Anfang haben wir uns natürlich gefragt, ob das das richtige Konzept ist. In den Achtziger- und Neunzigerjahren hatte der Pfadfinderverband finanzielle Probleme. Es gab eine Gruppe von 120 Gründungsstiftern, die Geld einlegten, um der Sache einen Anschub zu geben. Wir sind mit knapp 200.000 Mark gestartet. Es war zuerst mühsam, Einzelne davon zu überzeugen. Aber je mehr man macht, je mehr man darstellen kann, welche Förderungen laufen, umso mehr bekommen wir Gewicht. Wir hatten im vergangenen Jahr 80 Förderprojekte und 100 neue Zustifter, die jeweils 500 Euro zugestiftet haben.Also entwickelt sich auch das Stiftungsvermögen positiv?Ja, wir sind jetzt bei einem Vermögen von 3,2 Millionen. Auch in der Pandemie sind die Spenden nicht zurückgegangen, obwohl wir das gedacht hatten. Die Leute, die uns unterstützen, sind in aller Regel Pfadfinderinnen und Pfadfinder.

          Welche Projekte finanzieren Sie jetzt, die vor 25 Jahren undenkbar gewesen wären?

          Zu Beginn haben wir 5000 Euro pro Jahr ausgeschüttet, jetzt sind es 100.000 pro Jahr. Sehr wichtig ist zum Beispiel Echolot, ein Projekt zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt bei den Pfadfindern. Präventionskonzepte gibt es schon länger. Aber nun wird wissenschaftlich aufgearbeitet, inwieweit in den Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahren das Verhalten von Führungskräften und auch die Struktur diese Gewalt gefördert oder nicht ausreichend verhindert hat. Die aktiven Pfadfinderinnen und Pfadfinder wollten diese Aufarbeitung unbedingt und haben deshalb auch den Jahresbeitrag erhöht. Den Rest finanzieren wir als Stiftung.

          Wie blicken Sie sonst auf die vergangenen 25 Jahre?

          Wir sind schon sehr stolz. Ich meine, 25 Jahre ist im Vergleich wenig. Die älteste Frankfurter Stiftung, die Stiftung Hospital zum Heiligen Geist, hat vor ein paar Jahren 750 Jahre gefeiert. Aber für uns als Organisation, die mit Generationen an Jugendlichen und immer neuen Gruppenleitungen zu tun hat, ist es schon ein großer Zeitraum. Wir wollten das gerne auch im Römer feiern, dort war vor 25 Jahren unsere Gründungsveranstaltung.

          Sie waren selbst auch Pfadfinderin und haben Psychologie studiert. Hängt das miteinander zusammen?

          Ich bin Psychologin geworden durch meine eigenen Erfahrungen bei den Pfadfindern. Ich habe damals Gruppenleitungs-Schulungen mitgemacht und geleitet und wollte nach dem Studium Jugendarbeit machen. Das hat sich dann geändert, ich war in Unternehmen und in der Beratung tätig. Aber die Idee wurde durch das Pfadfinden ausgelöst, weil man lernt, was liegt mir, was macht mir Spaß.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Brille Vision Pro : Apple hat eine teure Vision

          Jetzt steigt Apple in den Markt der AR- und VR-Brillen ein. Die Vision Pro kostet mindestens 3500 Dollar und verspricht, „ein revolutionäres Produkt“ zu sein. Doch was kann das Headset wirklich?
          Till Lindemann im Juli 2019 in Hannover

          Till Lindemanns Verlag : Macht Geld blind?

          Kiepenheuer & Witsch bestreitet, etwas von Till Lindemanns Pornovideo gewusst zu haben. Das klingt angesichts der breiten Berichterstattung unglaubwürdig.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.