Tanzen im einstigen Vorhof des Todes
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Gelöst: An Wochenenden versammeln sich die Latin-Freunde vor der EZB. Bild: Maximilian von Lachner
Von der Frankfurter Großmarkthalle aus wurden einst Tausende von Juden deportiert. Ein Teil der Gedenkstätte bei der EZB ist öffentlicher Raum, den Streetdancer für sich erobert haben. Das führt zu Diskussionen.
Dutzende Paare bewegen sich an diesem lauen Sommerabend elegant und entspannt zu den Salsaklängen. Wenige Meter entfernt sorgt ein DJ mit seinen batteriebetriebenen Lautsprechern mit Merengue-Musik für ein kleines Konkurrenzprogramm. Hunderte Latin Dancer kommen regelmäßig an Wochenenden vor den glitzernden Doppeltürmen der Europäischen Zentralbank (EZB) am Philipp-Holzmann-Weg zusammen. Es ist eine fröhlich-relaxte Atmosphäre. Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen treffen sich nach den harten Corona-Lockdowns nahe dem Hafenpark im Freien zum Tanzen. Fast könnte man sich in Miami Beach oder gar in Havanna wähnen, wenn nicht die auf dem Tanzboden eingelassenen Zitate wären.
„Alles stehen bleiben. Mit dem Gesicht zum Zug. Immer 60 Personen in einen Wagen einsteigen“, lauten die in den hellen Beton auf dem Weg eingeschriebenen Sätze. Sie stammen von Lilo Günzler, die sich an die Anweisungen der SS-Leute an die Frankfurter Juden erinnert hat. Von Oktober 1941 an wurden rund 10.000 von ihnen in der Großmarkthalle in einem Keller eingepfercht und dann später mit Zügen in die Todeslager abtransportiert. Ein Stellwerk mit Gleisfragmenten ist – außerhalb der EZB – noch erhalten.
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