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Stadtplanung : Rollschuhbahn am Nizza abgerissen

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Pirouetten drehen und dennoch den Main fest im Blick haben: das geht in Frankfurt jetzt nicht mehr. Am nördlichen Mainufer sind mit Ende der Inline-Hockey-Saison Anfang Oktober die Bagger angerückt. Das ...

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          Pirouetten drehen und dennoch den Main fest im Blick haben: das geht in Frankfurt jetzt nicht mehr. Am nördlichen Mainufer sind mit Ende der Inline-Hockey-Saison Anfang Oktober die Bagger angerückt. Das Gebäude, in dem der Frankfurter Roll- und Eissportclub seit sechs Jahrzehnten seine Vereinsräume hatte, gibt es nicht mehr. Der Bauschutt türmt sich auf der Rollschuhbahn am Nizza, auf der in den fünfziger Jahren Olympiasiegerin Marika Kilius mit ihrem damaligen Partner Franz Ningel im Sommer auf Rollen für ihre großen Erfolge auf dem Eis trainierte und damit Frankfurt bis weit in die sechziger Jahre zum Zentrum des Rollsports machte.

          Bis Mitte November will das Grünflächenamt die gut 3000 Quadratmeter große Fläche von Betonplatten und Schutt frei geräumt haben, um sie in eine großzügige Grünfläche mit Spielgeräten zu verwandeln. Damit schlösse die Stadt bei der Herrichtung des Mainufers die letzte Lücke. Zur Fußballweltmeisterschaft im Juni nächsten Jahres will Frankfurt nämlich das gesamte Ufer - im Norden wie im Süden - als attraktive Erholungsfläche präsentieren, sich der Welt als Stadt am Fluß mit üppiger Uferpromenade zeigen.

          1999 hatte die Stadt mit der Sanierung der bis dahin stiefmütterlich behandelten, zu großen Teilen verwahrlosten Grünflächen am Main begonnen. Gleichzeitig wurden neue Uferteile wie die Weseler Werft im Osten, das Deutschherrnufer im Süden oder der Theodor-Stern-Kai im Westen für die Frankfurter erschlossen. Während die Entwicklung und Sanierung der einzelnen Abschnitte relativ zügig voranging, die Stadt trotz Sparzwang ausreichend Geld für das Vorhaben zur Verfügung stellte, damit alles bis zur Weltmeisterschaft herausgeputzt ist, blieb die Zukunft der Rollschuhbahn lange unklar. Erst im Mai dieses Jahres stimmten die Stadtverordneten zu, die Bahn für 1,5 Millionen Euro in die vorhandene Sportanlage "Am Rebstock" zu verlegen, und gaben damit ihr Einverständnis zum Abriß der alten Anlage.

          Zuvor kursierten lange Zeit Pläne, die einmalige Lage zu nutzen, Gebäude und Bahn durch eine Gastronomie aufzuwerten. Denn Rollschuhbahn und Main waren nur durch einen schmalen Plattenweg voneinander getrennt. Grünflächen-, Sport- und Liegenschaftsamt hofften, die Interessen aller Beteiligten zu bündeln: die des Roll- und Eissportclubs, der seinen außerordentlich begehrten Standort nicht aufgeben wollte, und die der Stadt, die - anknüpfend an die alte Nizza-Tradition aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg - eine attraktive Gastronomie am Mainufer schaffen wollte. Selbst das Grünflächenamt hätte wohl mit der Lösung leben können, wäre das von vielen als "Schandfleck" bezeichnete alte Vereinshaus einem Neubau gewichen. Allerdings liebäugelte Grünflächenamtsleiter Stephan Heldmann zu dieser Zeit schon damit, entlang dem gesamten Mainufer einen einheitlichen breiten Fußweg nebst beidseitigen Rasenstreifen anzulegen.

          Gastronom oder Investor für die Lokalität am Nizza wurden jedoch nicht gefunden. Das nach dem Krieg auf einem früheren Lagerplatz der Hafenbahn provisorisch aus Trümmerschutt errichtete Gebäude der Rollschuhbahn hätte nicht nur neu gebaut, sondern mit erheblichen Kosten gegen das Hochwasser geschützt werden müssen. Im August 2003 beschloß der Magistrat deshalb die Verlagerung der Rollschuhbahn, um am Main den Abriß vorantreiben zu können.

          Die anschließende Suche nach einem Ersatzgelände für den Roll- und Eissportclub war indes kein Ausdruck erfolgreichen politischen Handelns des Viererbündnisses im Römer. Zunächst wurde die Verlegung auf eine vorhandene Sportanlage in Nieder-Eschbach beschlossen, sie scheiterte dort am Votum des Ortsbeirats, das begierig von der CDU-Fraktion im Römer aufgegriffen wurde. Nun - da waren sich SPD und CDU einig - sollte die Rollschuhbahn auf das Gelände des ehemaligen amerikanischen Hubschrauberlandeplatzes in Bonames verlagert werden. Weit ab vom Schuß, war offenbar die Devise, damit die Bahn mit ihrer Beschallung und den Scheinwerfern niemanden stören könne. Nur hatte unter der Regie der Grünen-Stadträtin Jutta Ebeling das Umweltamt gerade den alten Flugplatz für 1,4 Millionen Euro aus der Ausgleichsabgabe zu einem Landschaftsschutzgebiet entwickelt, und Naturschützer zeigten sich glücklich, weil Brachpieper und Steinschmätzer dort, unweit der Niddaaue, wieder nisteten. Nicht einmal der Rollschuhclub wollte dort sein Domizil haben.

          Nach langem Ringen, offenbar auch zwischen Sport- und Grünflächenamt, und unter dem massiven Druck, rechtzeitig bis zur Fußballweltmeisterschaft das Mainufer in einen ansehnlichen Zustand zu bringen, um sich nicht zu blamieren, fand das Römerbündnis im Frühjahr dieses Jahres gemeinsam den Standort auf der Sportanlage "Am Rebstock". In der Zwischenzeit ist die neue Inlinehockeybahn dort gebaut worden, die Umkleiden folgen, so daß der Roll- und Eissportclub mit Saisonbeginn wieder trainieren kann. Zur gleichen Zeit wird am Nizza wohl der erste Rasen sprießen, das Mainufer wird sich als eine allerorten großflächige Grünanlage präsentieren, und die in die Stadt strömenden Fußballfans werden hoffentlich angetan sein.

          MECHTHILD HARTING

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