Schwarzarbeit : „Manche manchen’s auch für fünf Euro“
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Warten auf Arbeit: Osteuropäer an der Sonnemannstraße Bild: F.A.Z. - Agate Skowronek
Auf dem „Polenstrich“ an der Großmarkthalle stehen vor allem Schwarzarbeiter aus Osteuropa. Der Konkurrenzkampf ist in den vergangenen Jahren deutlich härter geworden.
In Grüppchen stehen die Männer am Zaun vor der Großmarkthalle. Die Hände in den Taschen der dicken Jacken verborgen, eine Plastiktüte oder eine ausgebeulte Tasche zwischen den Beinen, die Gesichter auf die Fahrbahn gerichtet. Hält ein Auto an, geht es ganz schnell: Die Männer gehen auf das Auto zu. „Was suchen Sie? Ich kann tapezieren, Fliesen legen, Gartenarbeit“, sagt einer. „Baustelle“, sagt der Fahrer des Vans, „zehn Euro die Stunde. Du da.“ Einer der Männer klettert in den Wagen, die anderen bleiben stehen, zünden sich Zigaretten an und stecken die Hände wieder in die Jackentaschen. So geht es jeden Tag an der Sonnemannstraße im Ostend, wo auf dem „Polenstrich“ die Schwarzarbeiter warten.
Henryk stammt aus Lublin in Polen. Er ist mit einer Deutschen verheiratet und lebt seit 14 Jahren in Deutschland. Genauso lange kommt er auch zum „Arbeiterstrich“, jeden Tag. Schon am frühen Morgen wartet er dort, oft vergeblich. Er hat einen Gewerbeschein, auf dem die Handwerkskammer Rhein-Main bezeugt, dass Henryk Fliesen, Platten, Mosaik und Estrich legen, genormte Fertigteile einbauen und im Holz- und Bautengewerbe arbeiten kann.
„Ich brauche das Geld“
„Alle Variationen, die man sich vorstellen kann, gibt es in der Schwarzarbeit“, sagt Claus-Peter Möller von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Darmstadt, „Pseudowohnsitze für Gewerbe, Arbeitslosengeldempfänger, die zusätzlich schwarz arbeiten, oder Zusatzarbeiten von Angestellten auf eigene Rechnung.“ Nach vorsichtigen Schätzungen gehen der deutschen Volkswirtschaft durch diese Schattenwirtschaft Jahr für Jahr rund 350 Milliarden Euro verloren.
Einer der Männer an der Sonnemannstraße zieht seine Wollmütze vom Kopf und weist auf eine verkrustete Wunde am Hinterkopf. Arbeitsunfall. Er sei mit einem Paket Fliesen im Arm die Treppe hinuntergestürzt und gegen eine Ecke geprallt. Mit seinem Arbeitgeber an diesem Tag hatte er nur eine mündliche Abmachung, war also nicht angemeldet und auch nicht versichert, eine Krankenversicherung hat der junge Mann nicht. Im Krankenhaus wurde er zwar notversorgt, allerdings auf eigene Kosten.
Die Platzwunde ist noch längst nicht verheilt, aber er wartet schon seit einigen Tagen wieder auf potentielle Kunden. „Was soll ich denn machen? Ich brauche das Geld“, sagt er. Arbeitslosengeld bekommt er nicht, er ist Pole, hat in Deutschland nie Beiträge bezahlt, keinen festen Wohnsitz. Vor einigen Jahren, als die Großmarkthalle noch in Betrieb war, hätten die Arbeitssuchenden dort häufiger mitarbeiten können oder die Reste der nicht verkauften Ware geschenkt bekommen. „Das reichte dann für eine Woche“, erinnert sich ein älterer Mann und streicht sich nachdenklich über die stoppeligen Wangen.
„Die Rumänen arbeiten für sieben oder acht Euro“
Inzwischen sei alles schwieriger geworden, die Arbeitgeber seien vorsichtiger, der Konkurrenzkampf sei härter, da sind sich die Männer einig, die morgens um acht vor einer geschlossenen Kneipe sitzen. Einige sind angetrunken „und haben heute mal keine Lust auf Arbeit“, andere schauen suchend umher, nehmen Blickkontakt auf mit den Autofahrern auf. Die Standorte auf dem „Polenstrich“ haben die 30 bis 50 Männer klar abgesteckt. Erst kommen die Rumänen am Anfang der Sonnemannstraße, dann die Bulgaren, die Polen, die Litauer, und am Ende der Straße stehen die Russen. Man kennt sich, beäugt sich kritisch und glaubt, „die anderen“ machten das Geschäft kaputt.