Standbesitzerin im Porträt : Ein Leben für die Mandel
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Kerngeschäft: Bei Hilde Ries bekommt der Frankfurter Weihnachtsmarktbesucher gebrannte Mandeln. Bild: Waldner, Amadeus
Wer gebrannte Mandeln mag, der hat wahrscheinlich auch schon welche von Hilde Ries gegessen. Seit 50 Jahren verkauft sie Süßigkeiten auf den Märkten der Region. Derzeit auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt.
Eigentlich müsste Hilde Ries im Laufe ihres Berufslebens mehr verdient haben, als sie ausgeben kann. Jedenfalls behaupten das Kenner der Branche. Ein Stand auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt sei eine sprudelnde Einnahmequelle, mit der man geradezu reich werden könne, heißt es. Das sieht man der 68 Jahre alten Schaustellerin aber nicht an. Seit 50 Jahren verkauft Ries ihre Waren auf den Jahrmärkten der Region. Bodenständig wirkt sie, mit einem weißen Kittel über der Kleidung. Über ihre Einnahmen verrät sie immerhin, dass alle fünf Stände sehr gut liefen und dass sie es sich leisten könne, eine Haushälterin zu beschäftigen. „Zahlen sind doch nur Schall und Rauch“, sagt sie schmunzelnd.
Schaustellerei ist eine Tätigkeit, die mit Entbehrungen verbunden ist. Freundschaften hätten unter ihrem Beruf gelitten, sagt Ries. „Unregelmäßig sehen wir uns. Aber wenn ich einmal frei habe, haben die oft nicht frei.“ Und unter den Konkurrenten habe sie keine Freunde. „Die sind jünger und haben andere Interessen.“ Früh um 7 Uhr steht sie in den vier Wochen des Weihnachtsmarkts auf, abends um halb elf kommt sie nach Hause. Für die Achtundsechzigjährige sind das sehr lange Tage. „Abends hat man im Kopf dann nur noch Kapazität für die Regenbogenpresse“, sagt sie und lächelt. „Und körperlich merkt man da schon, dass man nicht mehr so jung ist wie früher.“
Neue Geschmacksrichtungen wie Leberwurst sieht sie skeptisch
„Früher“, das war 1965. Damals, als Neunzehnjährige, heiratete sie. Ihr Mann hatte manchmal beim Fahrgeschäft seiner Eltern mitgeholfen. So kannte er sich in der Branche schon ein wenig aus. Ries, die aus Steinbach kommt und eine Ausbildung zur Metzgerin gemacht hatte, schloss sich ihm an. Zusammen bauten sie ein Geschäft auf und sukzessive aus - auf mittlerweile fünf Stände auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt. Auch ein karitativer Süßigkeitenstand und ein Flammkuchenhaus sind darunter. An den anderen drei Verkaufshäuschen bietet sie Magenbrot, Bethmännchen, gebrannte Mandeln und Nüsse, Zuckerwatte und Lebkuchenherzen an.
Die gebrannten Mandeln sind aber ihr Kerngeschäft. Rohe Mandeln kauft die Geschäftsfrau von einem Lieferanten in Spanien, dem sie seit Jahren vertraut und der mit dem Lkw von der Iberischen Halbinsel bis auf ihren Hof gefahren kommt. Die neuen Geschmacksrichtungen bei manchem Mandelverkäufer sieht sie skeptisch: „Sogar Leberwurst gibt es. Das ist doch alles Aroma, das ist Chemie.“ Sie selbst legt laut eigener Aussage großen Wert darauf, keine künstlichen Zutaten für ihre Produkte zu verwenden. Exotischere Sorten wie Wasabi-Erdnüsse, Chili-, Vanille- und Cappuccino-Mandeln stelle sie nur mit natürlichen Zusätzen her.
Hilde Ries hört genau hin, was ihre Kunden wollen
Vor einigen Jahrzehnten seien die kandierten Mandeln noch viel süßer gewesen, sagt sie. Weil Zucker weniger kostete als Mandeln, habe man möglichst viel beigemischt. Mit dem Mandelanteil stieg im Laufe der Zeit auch der Verkaufspreis. Drei Euro kosten bei Hilde Ries hundert Gramm Mandeln; die doppelte Menge bekommt man für fünf Euro. „Heutzutage schmeckt es dafür besser“, findet Ries. Ansonsten habe sich die Produktpalette in den vergangenen fünf Jahrzehnten kaum geändert - bis auf die neuen Mandelsorten. Nur Nüsse als Alternative zu den Mandeln seien beliebter geworden.
In den Plaudereien mit ihren Kunden achtet sie darauf, welche Leckereien sich die Leute gerade wünschen. „Ab morgen muss ich einmal ein paar gebrannte Haselnüsse anbieten. Ein paar Mal wurde ich heute wieder danach gefragt.“ Überhaupt sei ihr der Kontakt zu den Menschen sehr wichtig. „Das Schönste an meinem Beruf ist, dass man immer unter Leuten ist.“ Ries, eine aufgeschlossene Frau mit schwarz umrandeter Brille, kennt in Frankfurt nach eigener Einschätzung auf dem Römerberg und in der Fressgass fast jeden. Auch zu vielen ihrer Kunden habe sie ein persönliches Verhältnis: Eine ganze Reihe an Stammkunden komme zu ihr.