Historische Kinderbuchsammlung : Benjamins Bilderbücher
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Im Archiv der Goethe-Uni Frankfurt: Die Sammlung von Kinderbüchern Walter Benjamins Bild: Samira Schulz
Seit knapp 40 Jahren besitzt das Institut für Jugendbuchforschung an der Frankfurter Universität die historische Kinderbuchsammlung von Walter Benjamin. Nun wird der Schatz des Philosophen Stück für Stück aufgearbeitet und restauriert.
Die „Thiergeschichten in Bildern“ sind sehr geliebt worden. Nicht nur von dem Kind, das den reichillustrierten Band um 1850 wieder und wieder an den Ecken angefasst hat. Auch Walter Benjamin (1892–1940) liebte vor allem reich- bebilderte Kinderbücher – da war er aber schon längst erwachsen.

Kulturredakteurin in der Rhein-Main-Zeitung.
Seine Sammlung historischer Kinderliteratur, erhalten sind 216 Bände, besitzt seit knapp 40 Jahren das Institut für Jugendbuchforschung an der Frankfurter Universität. Nun wird der Schatz Stück für Stück aufgearbeitet. Ein Restaurierungsprojekt läuft derzeit dank der Fördermittel der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) und Zuschüssen des Landes. Die ersten Bände aus dem 18. Jahrhundert sind schon wieder aus dem Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig zurückgekehrt, chronologisch folgen nun weitere.
Die Sammlung Walter Benjamin sei ein großes Anliegen gewesen, als sich die Möglichkeit auftat, Fördermittel bei der KEK zu beantragen. Eine geschlossene Sammlung habe sich für einen solchen Antrag angeboten, so Ute Dettmar, Professorin und Geschäftsführende Direktorin des Instituts. Benjamin hatte das Sammeln mit den Büchern seiner Mutter begonnen und nach und nach Titel aus dem 18. und 19. Jahrhundert dazuerworben. Wie groß die Sammlung einst war, lässt sich nicht genau sagen, dass einige Exemplare heute fehlen jedoch schon.
Ein Schatz im eigenen Haus
Einzelne Stücke seien besonders wertvoll, so sei eines der ältesten Ziehbilderbücher in der Sammlung zu finden: „So reich illustrierte Ausgaben waren nicht sehr verbreitet“, erläutert Dettmar. Viele der Bücher, die Benjamin gesammelt hat, sind ausgesprochen selten. Die Sammlung ist nicht nur für Jugendbuch- und Benjamin-Forscher von Interesse. So ein Schatz im eigenen Haus stärkt das Interesse der Studenten an der Literaturgeschichte, das nach der Erfahrung Dettmars zurückgehe, „es ist mehr Vermittlungsarbeit nötig“.
Historische Kinderbuchbestände gibt es nur an wenigen Standorten, neben Frankfurt nennt Kustos Felix Giesa Berlin, Braunschweig und Köln. Mit diesen Standorten wird auch der Frankfurter Bestand verglichen. Weshalb Bibliothekarin Beate Schoone von etlichen Benjamin-Büchern sagen kann: „Das gibt es nur hier.“ Oder weiß, dass ein einziges weiteres Exemplar in der Universitätsbibliothek Göttingen existiert, wie Carls Giblas Skizzenbuch, verlegt in Stuttgart 1853. Die KEK finanziere sogenannte Massenverfahren, erläutert Giesa, dazu gehöre die Entsäuerung des Papiers und die Sanierung der Buchdeckel. Außerdem bekomme jedes Buch eine maßgeschneiderte Klappdeckelbox. 30.000 Euro kostet die Aktion.

Wenn alle Titel überarbeitet sind, soll es eine Ausstellung geben, außerdem soll es eine Tagung zur Benjamin-Sammlung geben. Und eine Spendenaktion oder ein Patensystem könne sie sich auch vorstellen, wie Dettmar erläutert: Denn mit den jetzigen Mitteln können nur die grundlegenden Schäden behoben werden. Das Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig, seit vielen Jahren auch Partner der Universitätsbibliothek Frankfurt, rechnet für eine komplette Instandsetzung mit einem Vielfachen der jetzigen Summe. Auch an der Universitätsbibliothek laufen mit Mitteln der KEK sowie Landes- und Stiftungsmitteln Restaurierungsmaßnahmen, es handelt sich um ein Auftragsvolumen von derzeit 200.000 Euro.
Klaus Doderer gelang der Coup
Benjamins Sohn Stefan, der 1972 starb, hatte gewünscht, dass die Sammlung nach Deutschland zurückkehren möge, dem einstigen Direktor des Instituts für Jugendbuchforschung, Klaus Doderer, gelang der Coup, die Sammlung zu erwerben. Schließlich hat Benjamin einen Bezug zu Frankfurt: 1923/24 arbeitete er an der Universität, lernte Theodor W. Adorno und Siegfried Kracauer kennen und schrieb an seiner später zurückgezogenen Habilitationsarbeit „Ursprung des deutschen Trauerspiels“.
In einem folgenden Schritt hoffen Dettmar und Giesa die Sammlung zu digitalisieren, online zugänglich zu machen und sie möglichst mit weiteren Angeboten zum Nachlass Benjamins zu vernetzen. Bislang, so Dettmar, seien wenige Bestände der Kinderliteratur digital verfügbar. Und diejenigen, die sehr früh mit Digitalisierungsprojekten begonnen hatten, verfügten nicht über die jetzige Qualität der Digitalisate. Neben den Mitteln des Bundes über die KEK und des Landes Hessen hat Dettmar, seit Juni 2015 im Amt, zehn Prozent an Eigenmitteln des Instituts zugeschossen. Unter anderem haben Tagungen, auch derzeit aufgrund der Pandemie, verlegt werden müssen, so waren Mittel frei. Der neu gegründete Master, eine Kombination aus Kinder- und Jugendliteratur und Buchwissenschaft, laufe im zweiten Jahrgang auch digital sehr gut an. Demnächst womöglich samt Seminaren zu Benjamins Büchern.