
Querdenker-Demo in Frankfurt : Den Irrsinn eingrenzen
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Verquere Wahrnehmung: Weil sie Masken tragen müssen, wähnen sich manche „Querdenker“ in einer Diktatur. Bild: EPA
Wer auf dem Höhepunkt der Infektionswelle Großdemonstrationen gegen eine angebliche Corona-Diktatur ausrichtet, missbraucht die demokratischen Mitwirkungsrechte.
Egal, wie hoch die Infektionszahlen sind und wie viele Menschen auf den Intensivstationen leiden und sterben, die sogenannten Querdenker halten an dem Plan fest, in einer Woche in Frankfurt eine Großdemonstration auszurichten. Was anfangs skurril mit dem Erkennungszeichen des Aluhuts daherkam, ist inzwischen ein Akt der Bedrohung. Nahezu jedem, der sich gelegentlich mit solchen Fragen beschäftigt, ist klar, wie hoch das Risiko ist, das Virus mit dem Geschrei in dichtem Gedränge über eine angebliche Corona-Diktatur massenhaft zu verbreiten.
Sie tun so, als kämpften sie für Freiheitsrechte, tatsächlich ist ihnen aber vor allem daran gelegen, weiter mit größtmöglicher Öffentlichkeitswirkung abstruse Theorien unter die Leute zu bringen. Längst geht es nicht mehr darum, sorgsam Grundrechte auf Schutz von Leben und Gesundheit gegen das auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit abzuwägen.
Gerichte, die trotz der alarmierenden Infektionslage darauf beharren, dem Demonstrationsrecht auch in der Pandemie breiten Raum zu lassen, interpretieren daher mehr oder weniger fahrlässig die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in der ersten Welle falsch. Damals ging es darum, dass solche Möglichkeiten, sich in einer demokratischen Gesellschaft einzubringen, nicht grundsätzlich mit dem Argument, der Gesundheitsschutz gehe vor, verwehrt werden können. Weil es eben keine Rangordnung der Grundrechte gibt. Karlsruhe war aber nicht so zu verstehen, als wolle es dem Missbrauch solcher demokratischen Mitwirkungsrechte eine Tür öffnen. Im Gegenteil, die Verfassungsrichter fordern, den Schutz der Allgemeinheit sehr sorgfältig zu prüfen. Unter den jeweils herrschenden Umständen.
Diesen Auftrag müssen zuerst die Gerichte am jeweiligen Ort erfüllen, voraussichtlich in den nächsten Tagen das Verwaltungsgericht in Frankfurt. Dabei kann es sich nicht auf die „Aktenlage“ zurückziehen, auf das, was die Anmelder versprechen, wie sie angeblich Abstandsgebot und Maskenpflicht einhalten wollen. Sie müssen sich an dem orientieren, was tatsächlich bei solchen Zusammenkünften passiert, wie die Regeln zum Schutz vor Infektionen ignoriert, verlacht und verhöhnt werden. Die Wirklichkeit der Straße muss auch eine Wirklichkeit für das Recht sein. Richter sind gefordert, den Irrsinn einzugrenzen.

Ressortleiter des Regionalteils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
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