Prozess gegen Oberstaatsanwalt : Niemand will die Korruption bemerkt haben
- -Aktualisiert am
Korruptionsaffäre bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft: Oberstaatsanwalt Alexander B. muss sich nun vor Gericht verantworten. Bild: dpa
Im Prozess gegen den früheren Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander B. haben dessen einstige Kollegen ausgesagt. Die Art, wie der Angeklagte Gutachten vergab, erschien ihnen „alternativlos“.
Ohne die Anzeige seiner ehemaligen Lebensgefährtin wären die mutmaßlichen Machenschaften von Alexander B. als Leiter der „Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen“ vermutlich erst viel später aufgeflogen – wenn überhaupt. In dem Prozess vor einer Großen Wirtschaftsstrafkammer des Frankfurter Landgerichts hatte schon am vergangenen Verhandlungstag der frühere Generalstaatsanwalt Hans-Josef Blumensatt berichtet, dass B. aufgrund seiner Kompetenz, seines hohen Ansehens und seines Auftretens in der Behörde über alle Zweifel erhaben gewesen sei.
Am Freitag sagte B.s unmittelbarer Vorgesetzter in der Verhandlung, die Entscheidung des Angeklagten, ganz überwiegend das Unternehmen Meditransparent zu beauftragen, um dem Verdacht möglichen Abrechnungsbetrugs durch Mediziner nachzugehen, habe als „alternativlos“ gegolten. Nachdem das Landeskriminalamt die Zusammenarbeit mit der Generalstaatsanwaltschaft auf diesem Gebiet beendete, habe nur noch die Expertise dieser Firma zur Verfügung gestanden. Sie beschäftigte als Sachverständige ehemalige Arzthelferinnen, die sich mit dem komplizierten Abrechnungswesen auskennen.
Der 55 Jahre alte B. ist der gewerbsmäßigen Bestechlichkeit, der Untreue und der Steuerhinterziehung angeklagt. Er soll von dem Gründer von Meditransparent, einem Freund aus Jugendzeiten, sowie dem Geschäftsführer eines anderen von ihm bedachten Dienstleistungsunternehmens insgesamt rund 350.000 Euro Schmiergeld erhalten haben. Seinem Geständnis nach war die Summe der Zahlungen noch deutlich höher.
Weil die Affäre erst 2020 aufgedeckt wurde, sind die Taten vor 2015 verjährt. Der mit Unterbrechung seit Mitte 2020 inhaftierte, bis zum Ende des Prozesses nur suspendierte Oberstaatsanwalt soll an den Gewinnen von Meditransparent aus den Aufträgen der Justiz anfangs zu einem, später sogar zu zwei Dritteln beteiligt gewesen sein. Von der anderen Firma habe er einen Euro pro Arbeitsstunde verlangt und erhalten. B. hat die Taten weitgehend gestanden. Er begründet sie mit erheblichen privaten und daraus resultierenden finanziellen Problemen.
Weshalb in der Generalstaatsanwaltschaft oder im Ministerium nicht auffiel, dass Alexander B. seit 2009 mitkassierte, bleibt weiterhin rätselhaft. B. erteilte die Aufträge und prüfte die Rechnungen, offenbar ohne jegliche Kontrolle und unter Missachtung aller Schutzregeln gegen Korruption. Vielleicht lag es aber auch daran, dass B., der bundesweit bekannter Pressesprecher der hessischen Generalstaatsanwaltschaft war, die Aura des Unantastbaren verbreitete.
Viel über sein Privatleben habe er nicht erzählt, sagte sein ehemaliger Vorgesetzter. Man habe sich gefragt, ob er überhaupt eines habe, äußerte eine ehemalige Kollegin am Freitag als Zeugin vor Gericht. Sogar am Wochenende sei er meist im Büro gewesen. Auffällig sei gewesen, dass er stets darauf bestanden habe, bei Essen andere einzuladen. Auch habe er oft Geschenke mit ins Büro gebracht.
Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.