
Tanztreff vor der Gedenkstätte : Übersehene Stätte der Erinnerung
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Beschwingtes Lebensgefühl: Auf dem Philipp-Holzmann-Weg an der Gedenkstätte Großmarkthalle wird regelmäßig getanzt. Bild: Maximilian von Lachner
Nahe der Europäischen Zentralbank wird regelmäßig getanzt – an einem Ort, der eine Gedenkstätte ist. Das sagt viel darüber aus, wie schwach ausgeprägt die Erinnerungskultur in der Frankfurter Bevölkerung ist.
Auf die Latin Dancer, die am Fuß der Europäischen Zentralbank an den Wochenenden zu Salsa und anderen lateinamerikanischen Rhythmen tanzen, sind schon viele Frankfurter beim abendlichen Promenieren am Mainufer aufmerksam geworden. Sie fallen den meisten angenehm auf. Steht doch allein die Art des Tanzes für ein beschwingtes Lebensgefühl. Und die Tatsache, dass es nicht nur die junge, sondern eine mittelalte Generation ist, die sich dort den öffentlichen Raum aneignet, ist für viele Ausdruck von Urbanität.
Doch wer den Philipp-Holzmann-Weg in Frankfurt etwas besser kennt, ahnt, dass es einen Grund hat, warum der Bodenbelag in einem Abschnitt ein besonderer ist: Er ist Teil der Gedenkstätte, die an die Deportation Frankfurter Juden erinnert, die von Oktober 1941 an zunächst in einem Keller der Großmarkthalle, die heute Teil der EZB ist, zusammengepfercht und später in die Todeslager abtransportiert wurden.
Auch die Stadt hat lange diesen Ort übersehen
Die eindrucksvolle Gedenkstätte, die sich bewusst in den öffentlichen Raum hineinzieht, ist jung. Erst mit dem Einzug der Europäischen Zentralbank vor sechs Jahren ist sie eröffnet worden. Vielen Tänzern und den allermeisten Beobachtern ist vermutlich auch deshalb nicht bewusst, an welchem Ort und auf welche in den Boden eingelassene Zitate die Ledersohlen gesetzt werden.
Das sagt viel darüber aus, wie schwach ausgeprägt die Erinnerungskultur in der Frankfurter Bevölkerung ist. Aber auch die Stadt selbst hat lange Jahre diesen Ort der Deportation übersehen. Das sollte nicht noch einmal geschehen. Streetdance an dem Ort des Gedenkens an den Holocaust, in einer Stadt, die maßgeblich von Frankfurtern jüdischen Glaubens geprägt wurde, sollte es nicht geben.
Gleichzeitig kann sich Frankfurt glücklich schätzen, dass die Bürger ihrer Stadt Lust haben, den öffentlichen Raum attraktiv zu beleben. Die neue Stadtregierung sollte sich umgehend mit den Ämtern zusammensetzen, um den Tänzern eine Fläche anbieten zu können, auf der laut Musik gehört werden kann und gleichzeitig der Boden zum Tanzen geeignet ist. Die wird doch wohl in einer Metropole zu finden sein – in absehbarer Zeit.