Frau Linnemann, als Sammlungs- und Ausstellungskuratorin im Historischen Museum haben Sie sich eingehend mit dem Paulskirchenparlament beschäftigt. Wohin sollten wir im bevorstehenden Jubiläumsjahr blicken: eher zurück oder nach vorn?
Ich würde mir eine Synthese der Sichtweisen wünschen. Der Blick zurück ist natürlich wichtig: Ich kann mich nur an etwas erinnern, das ich kenne. Aber darin erschöpft sich die Erinnerung nicht, sondern dann wird es erst interessant. Die zentrale Frage ist doch: Wofür erinnern wir uns?
Die Antwort der Politik lautet: um aus dieser historischen Wurzel eine Identifikation mit der Demokratieentwicklung in Deutschland abzuleiten.
Es gibt ganz offensichtlich ein großes politisches Bedürfnis, sich auf 1848/49 zu beziehen. Das speist sich nach meiner Einschätzung aus zwei Richtungen. Einerseits aus der aktuellen Infragestellung des Parlamentarismus von außen, etwa durch autoritäre Systeme und Machthaber wie Putin. Andererseits aber auch durch eine Fragilität im Inneren, durch Zweifel an der Demokratie und ihren Institutionen, wie sie etwa von Le Pen in Frankreich oder von der AfD in Deutschland geschürt werden. Der Wunsch, eine parlamentarische Tradition zu erzeugen, der Wunsch nach Leuchttürmen der Demokratie ist daher sehr verständlich.
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