Neubaugebiet in Frankfurt : Die kühlende Luft vom Taunus
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Blick auf den Taunus von der Raststätte Taunusblick an der Autobahn A Bild: Hedwig, Victor
Die Römer-Koalition will im Nordwesten der Stadt ein Neubaugebiet errichten. Klimaexperten fürchten um die Frischluftzufuhr für die Frankfurter Bürger.
Der geplante neue Frankfurter Stadtteil zwischen Niederursel, Praunheim und Steinbach wird auf Äckern gebaut, die für Frankfurt und die angrenzenden Stadtteile eine wichtige klimatische Bedeutung haben. Zu dieser Einschätzung gelangt der Klimatologe Lutz Katzschner, Professor an der Universität Kassel, der für die Stadt Frankfurt den erst im vergangenen Jahr überarbeiteten Klimaplanatlas erstellt hat. Für das Klima in der Stadt hält er es für entscheidend, dass die sogenannten Abflussbahnender Kaltluft nicht bebaut werden. Denn auf denen fließe vor allem nachts die auf den Feldern entstehende Kaltluft hangabwärts bis ins Niddatal und kühle den nordwestlichen Teil der Mainmetropole maßgeblich ab.
Zentrale Abflussbahnen sind Katzschner zufolge die Täler der aus dem Taunus kommenden Bäche. Im Fall des geplanten neuen Stadtteils sind dies der Steinbach und noch stärker der Urselbach, durch dessen Tal noch mehr und massiver kalte Luft in die Stadt gelangt. Beide Bäche mit ihren Bachauen sind Landschaftsschutzgebiete der strengeren Kategorie Zone 2, in der keinerlei Art der Bebauung zulässig ist. Planungsdezernent Mike Josef (SPD) hat bereits angekündigt, die Bachauen unberührt zu lassen.
„Verbindung der Kaltluft zu diesen Bahnen ist unabdingbar“
Katzschner hat aufgrund seiner Informationen, die in die Karte zur Mächtigkeit der Kaltluft in Frankfurt eingegangen sind, auch ermitteln können, dass es noch mindestens zwei weitere, schwächere Kaltluftabflüsse vom Taunus in Richtung Frankfurt gibt. Sie befinden sich auf den Frankfurter Äckern, die jenseits der Autobahn A5 in Richtung Steinbach liegen. Katzschner zufolge bringen sie, je nachdem wie stark der Wetterauwind die Nidda hinunterweht, kalte Luft in Richtung Nordweststadt oder nach Praunheim.
Für den Erhalt dieser Kaltluftschneisen fordert der Experte, auf die Bebauung grundsätzlich zu verzichten. Die für die Stadt so wichtige frische Luft dringe sonst nicht einmal mehr bis zur Nidda vor. Sie würde an der Stadtgrenze abgeriegelt. „Die Verbindung der Kaltluft zu diesen Bahnen ist unabdingbar“, sagt Katzschner. „Eine Bebauung geht dort absolut nicht.“ Nach den Vorstellungen der Stadt und des Planungsdezernats soll der neue Stadtteil auf rund 190 Hektar entstehen. Das würde Platz für bis zu 12000 Wohnungen bieten, in denen eines Tages bis zu 30000 Frankfurter ein neues Zuhause finden könnten.
Für die Forderung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), mit Blick auf diese Frischluftschneisen gleich ganz auf den Bau des neuen Stadtteils zu verzichten, hat Kimaexperte Katzschner durchaus Sympathien. „Die Zirkulation muss erhalten bleiben“, fordert auch er. Der Wissenschaftler plädiert allerdings dafür, die Kaltluftabflüsse genauer zu untersuchen. Natürlich fielen durch eine Bebauung die Frankfurter Äcker auch als Kaltluftentstehungsgebiete weg. Doch möglicherweise bilde sich auf den Feldern im Umland in Bodennähe ausreichend kalte Luft, um sie durch die Fallwinde des Taunus in die Stadt zu transportieren.
Folge: eine stärkere Erwärmung der Stadt
Insgesamt sieht Katzschner die Errichtung des neuen Stadtteils unter klimatischen Aspekten kritischer als die Bebauung in anderen geplanten Neubaugebieten. Beim Innovationsquartier etwa, das an der Friedberger Landstraße nördlich des Günthersburgparks entstehen soll, hatten die Bürger gehofft, unter Hinweis auf den Wetterauwind, der dort nachts von Bad Vilbel und dem Frankfurter Stadtteil Seckbach aus über die Freizeitgärten hinwegstreicht, ein gutes Argument gegen die Bebauung zu haben. Doch nach Ansicht Katzschners reicht es im Innovationsquartier aus, die Gebäude so auszurichten, dass sie dem Wind nicht im Weg stehen und dieser durch Lücken in der Bebauung strömen kann. Im neuen Stadtteil im Nordwesten Frankfurts müssen dagegen Katzschner zufolge Teilgebiete tatsächlich von der Bebauung ausgenommen werden.
„Werden die Abflussbahnen der Kaltluft zerstört, ist die Folge eine stärkere Erwärmung der Stadt“, sagt der Fachmann. Die Winde gelangten dann nicht mehr in die angrenzenden Stadtteile wie Bockenheim oder das Gallusviertel, zwei Stadtteile, die laut Klimaplanatlas in den Sommermonaten mehrere „Hitzeinseln“ aufweisen.
Der Blick auf den Klimaplanatlas zeigt allerdings auch, dass die Fallwinde des Taunus nicht nur in Niederursel und Praunheim wirken, sondern die Kaltluftströme über andere Bachtäler einen noch viel stärkeren Einfluss auf das Frankfurter Klima haben. Klimaprägend sind die Kaltluftabflüsse über den Kalbach, aber vor allem über Esch- und Erlenbach. Die Gegner der von der SPD schon vor Jahren ins Spiel gebrachten Bebauung der Äcker zwischen Nieder-Eschbach und Nieder-Erlenbach, die als Pfingstberg bezeichnet werden, haben stets diese Bebauung unter Hinweis auf die Kalt- und Frischluftversorgung der Großstadt abgelehnt.