Neues Hochhaus in Frankfurt : Champagnerfarbener Turm für Workaholics
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Unauffällig von außen: Der Marienturm (Mitte) in Frankfurt ist fertig. Bild: Pecan Development
Der Marienturm soll die Arbeitswelt „kultivieren“ – mit allerhand Annehmlichkeiten und einem durchgängigen Design. Kann dieser Plan aufgehen?
Hochhäuser müssen hoch sein. Das ist eine Banalität? Nicht unbedingt. Der neue Marienturm im Bankenviertel ist mit 155 Metern selbst kein Riese, wirkt in seiner Nachbarschaft aber wie ein Vater, der links und rechts zwei Kleinkinder an der Hand hält. Die Hochhäuschen nebenan kratzen nur an der 75-Meter-Marke und erscheinen nun erst recht wie kleine, gedrungene Stümpfe. Besonders das Hochhaus zur linken, Taunusanlage 8, wirkt, als wäre dem Bauherren auf halber Strecke das Geld ausgegangen.

Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.
Und auch der vor nicht allzu langer Zeit renovierte T11 rechts neben dem neuen Marienturm hätte ein paar Stockwerke mehr gut vertragen. Wenn die Taunusanlage zum von Hochhäusern gesäumten Central Park von Frankfurt werden soll, dann dürfen die Höhenflüge der Projektentwickler und Investoren ruhig etwas intensiver werden.
Hochhäuser müssen markant sein. Dank ihrer schieren Höhe haben sie eine Präsenz im Stadtbild, von der die meisten niedrigen Bauwerke nur träumen können. Dennoch: Die Höhe allein bürgt nicht für Sicht- und Unverwechselbarkeit. Der Marienturm trägt eine Fassade, die man wohlwollend als ruhig, zurückhaltend, elegant und hochwertig beschreiben kann. Aber auch als monoton und langweilig. Der Bauherr Markus Brod, Geschäftsführer von Pecan Development, und der Architekt Thomas Müller von Müller Reimann Architekten neigen selbstverständlich zur ersten Sichtweise.
Von außen nicht elegant
Dass die Aluminiumbleche der Fassade den Farbton „Champagner“ haben, passt zu diesem vornehmen Habitus. Die Mieter jedenfalls honorieren diese Architektursprache, knapp die Hälfte der Fläche ist kurz nach der Fertigstellung schon vergeben. Der Marienturm schreit nicht, wie der zeitgleich errichtete Omniturm auf der gegenüberliegenden Seite der Taunusanlage: „Schaut mich an!“ Der Preis dieser Bescheidenheit: Das Hochhaus geht ein bisschen unter. Und besonders vom Opernplatz aus wirkt es nicht elegant, sondern schwer und massig.
Doch der Marienturm hat andererseits auch große und vor allem städtebauliche Qualitäten. Genau genommen besteht das Projekt aus zwei Teilen: dem Marienturm und dem 40 Meter hohen Marienforum, die gemeinsam auf der Marieninsel entstanden sind. Sie liegen einmalig zentral: Die Zwillingstürme der Deutschen Bank stehen vis-à-vis, die Alte Oper ist 200 Meter entfernt. Turm und Forum stehen Rücken an Rücken.
Während das Hochhaus als Adresse die Taunusanlage hat, orientiert sich das Marienforum zur Mainzer Landstraße und zur Marienstraße. Dort ist ein kleiner Platz mit zehn Bäumen, Bänken und Beeten entstanden. Im Vergleich zum tristen Mitterrand-Platz, einige Meter die Mainzer Landstraße hinunter, ist der Marienplatz eine kleine Oase. Ein Steakhaus, das Ende des Jahres eröffnet wird, und ein kleines Café dürften ihn attraktiv machen.
Vor dem Marienturm geht es nach der vierspurigen Taunusanlage in den gleichnamigen Park. Der Eindruck des Architekten Müller, dass die Natur in das Gebäude hineinfließe, lässt sich nicht nachvollziehen. Die Außenanlagen sind noch nicht fertig. Ungestaltete, braune Beete warten auf ihre Bepflanzung mit hoffentlich hohen und üppigen Bäumen. Der Einzug der Investmentbank Goldman Sachs in die Obergeschosse machte den ursprünglichen Plan, den Übergang zur Taunusanlage mit flachen Beeten und Wasserbecken sanft zu gestalten, zunichte. Nun schützen eine Natursteinmauer und Poller das Gebäude vor Terrorangriffen.
Von innen eine Augenweide
Eine Querung der Straße mit Fußgängerampel und weiterführendem Fuß- und Radweg muss noch angelegt werden. Direkt neben der Lobby werden zahlreiche Abstellbügel für Fahrräder schon rege genutzt. Auch in der Tiefgarage setzt der Bauherr mit 400 Fahrradplätzen auf eine umweltfreundliche Verkehrsanbindung. Zudem können an 77 der 267 Stellplätze Elektrofahrzeuge aufgeladen werden.
Von innen ist das Hochhaus eine Augenweide. Das liegt auch daran, dass der Entwickler mit der Gestaltung eine spanische Designerin beauftragt hat. Patricia Urquiola aus Mailand setzt auf natürliche Materialien und bei der Möblierung auf einen Vintage-Look. Die viergeschossige Lobby ist nicht auf Überwältigung aus.
Während die Innenarchitekten anderer Hochhausfoyers in Naturstein schwelgen und raumgreifende Werke berühmter Künstler die Blicke auf sich ziehen, hat Urquiola für den Marienturm eine raumhohe Wand aus Eschenholz entworfen, deren unterschiedlich weit herausragende Blöcke ein Relief bilden. Das gibt der Lobby eine warme Anmutung. Viele Pflanzen und bequeme Sofas und Sessel komplettieren das stimmige Gesamtbild.
Auch im Betriebsrestaurant „Chez Marie“ lässt es sich gut aushalten. Für Arbeitstiere, die den Feierabend gerne im Gebäude verbringen, bietet das Café im Erdgeschoss auch Drinks an. Die Kinder können in einer Kindertagesstätte betreut werden. Und wer zu lange am Schreibtisch gesessen hat, kann im hauseigenen Fitnessstudio eine Runde trainieren. Die Mitarbeiter müssen das Gebäude also nur noch zum Schlafen verlassen. Bauherr Brod fasst das Konzept mit dem Slogan „cultivating work“ zusammen: „Wir wollen eine Arbeitswelt erschaffen, die das Wohlbefinden der Nutzer in den Vordergrund stellt.“
Einige Punkte, zu denen sich der Bauherr gegenüber der Stadt im städtebaulichen Vertrag verpflichtet hat, muss er allerdings noch erledigen. Dazu zählt nicht nur die Fußgängerüberquerung vor dem Eingang. Der Bauherr muss auch noch 15 000 Quadratmeter Wohnraum schaffen, das entspricht 30 Prozent der Bruttogeschossfläche oberhalb der Hochhausgrenze. Die frei finanzierten Wohnungen sind bereits an der Niddastraße entstanden. Was noch fehlt, sind 5000 Quadratmeter geförderter Wohnraum.
Brod habe der Stadt schon eine Reihe von Flächen vorgeschlagen, sagt der Sprecher des Planungsdezernats. Darunter auch die Umwandlung von Gewerbe- zu Wohnraum, aber dies sei aus guten Gründen nicht erwünscht. „Es kommt nicht auf Tage oder Monate an.“