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Lärm am Frankfurter Flughafen : Gestörte Ost-West-Beziehung

Zu laut: Durch veränderte Windverhältnisse ist die Lärmbelästigung rund um den Frankfurter Flughafen anders verteilt als früher. Bild: dpa

Die Windverhältnisse am Frankfurter Flughafen scheinen sich durch den Klimawandel verändert zu haben. Das hat Folgen für die Verteilung des Lärms auf die Kommunen in der Umgebung.

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          Kurz bevor am 21. Oktober 2011 die Maschine mit der Kanzlerin als erste auf der neuen Landebahn Nordwest des Frankfurter Flughafens aufsetzte, schien die Welt noch in Ordnung. Es war heiter bis wolkig, es herrschte hoher Luftdruck, der Wind wehte, wie so oft bei diesem Wetter, von Osten. Aber dann bekamen die Bürger von Flörsheim zum ersten Mal zu hören, was für sie der Ausbau des Flughafens bedeutet. Der Airbus der Luftwaffe setzte, knapp 300 Meter über ihren Häusern, donnernd zur Landung an. Es herrschte Ostbetrieb, im Fachjargon BR07 abgekürzt. Die Maschinen steuern den Flughafen dann von Westen her an und heben gen Osten ab, um gegen den Wind zu landen respektive zu starten. So lassen sie sich besser und sicherer steuern. Über Dekaden galt die verlässliche Faustregel, dass es in Frankfurt über das Jahr zu drei Vierteln West- und zu einem Viertel Ostbetrieb gebe. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich das Verhältnis jedoch fast ausgeglichen. Ist das eine Folge des Klimawandels?

          Helmut Schwan
          Freier Autor in der Rhein-Main-Zeitung.

          Die Frage liegt nicht fern nach einem Jahr, in dem der Sommer nicht enden wollte. Die Frage, woher der Wind weht und aus welcher Richtung die Flugzeuge kommen, ist für Zehntausende Menschen im Umfeld des Flughafens sehr wichtig. Ost- oder Westbetrieb, das entscheidet darüber, an wie vielen Tagen sie etwas länger schlafen, die Fenster aufmachen oder sich gemütlich für einen Kaffee auf die Terrasse setzen können. In den vergangenen Monaten hat es wieder deutlich mehr Beschwerden über Fluglärm gegeben. Das lag zum einen an den vielen Starts und Landungen nach 23 Uhr, nach dem Beginn des Nachtflugverbots.

          Aber es hängt eben auch stark damit zusammen, dass wegen der veränderten Wetterlage beim Landeanflug wesentlich öfter die Kommunen im Westen des Flughafens, Flörsheim, Hochheim, Raunheim, überquert wurden. Deren Ortskerne liegen deutlich näher an den „Aufsetzpunkten“ der Landebahnen als etwa der von Offenbach bei Westbetrieb. Entsprechend niedriger werden die Häuser überflogen, entsprechend lauter wird es dort (bis zu einem Dauerschallpegel von 65Dezibel), entsprechend größer ist der Ärger der Betroffenen. Aber auch aus dem Osten des Flughafens, beispielsweise aus Bergen-Enkheim und Heusenstamm, gab es im vergangenen Jahr mehr Beschwerden. Denn der Ostbetrieb führt dort zu mehr Lärm durch die dann in diese Richtung startenden Flugzeuge.

          Folge des Klimawandels?

          Ob infolge des Klimawandels damit zu rechnen sei, dass diese Entwicklung anhalte, haben die Fluglärmkommission und das Forum „Flughafen und Region“ den Deutschen Wetterdienst und das Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie gefragt. Kurz gefasst lautet die Antwort: Mit Bestimmtheit lasse sich das nicht sagen. Zwar sei gewiss, dass das Abschmelzen der Eisdecke im Nordpolarmeer zu klimatischen und meteorologischen Veränderungen in Mitteleuropa führen werde. Ob und wie stark dadurch Richtung und Stärke der Winde im Großraum Frankfurt beeinflusst werden und ob die Veränderung in den vergangenen Monaten schon damit zusammenhängt, darüber können die Experten noch nichts Konkretes sagen. Thomas Jühe (SPD), Vorsitzender der Fluglärmkommission, will daher erst einmal abwarten, ob sich der Trend in diesem Jahr fortsetzt.

          Falls die Wetterverhältnisse im Südwesten Frankfurts wirklich durcheinandergewirbelt werden sollten, dürfte der Kampf um gerechte Verteilung des Lärms und anderer Emissionen des Luftverkehrs wieder schärfer werden. In den vergangenen Jahren ist er unter dem harmlos klingenden Stichwort „Rückenwindkomponente“ eher moderat ausgetragen worden. Der Begriff meint die Stärke, die noch erlaubt ist, um ausnahmsweise mit dem Wind gen Westen zu starten und von Osten her zu landen; seit den siebziger Jahren liegt die Grenze in Frankfurt bei fünf Knoten.

          Das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt noch einmal festgestellt, dass diese Regel zum Schutz der hochbelasteten Anwohner im Westen rechtens sei. Dagegen geklagt hatten in diesem Fall dem Fluglärm ausgesetzte Anwohner aus dem Süden Frankfurts mit der Begründung, es gebe keine rechtliche Grundlage, um von den mehrheitlich angewendeten Regeln der internationalen Luftfahrt abzuweichen. Die Richter in Leipzig bestätigten jedoch die Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, die Klage sei nicht zulässig und mögliche Ansprüche längst verwirkt.

          Besserer Lärmschutz notwendig?

          Laut Jühe, der Bürgermeister von Raunheim ist, wendet die Deutsche Flugsicherung (DFS) die Möglichkeit, bei leichtem Rückenwind zu starten und zu landen, aber in der Praxis nicht im versprochenen Maß an. Vor allem in den neuralgischen Morgenstunden wähle die DFS häufig den Ostbetrieb, obwohl Windrichtung oder Windstärke auch Westbetrieb möglich machten. Jühe erinnert daran, dass in dem vom Landtag beschlossenen Anti-Lärm-Pakt sogar vereinbart sei, zu prüfen, ob eine Erhöhung der Rückenwindkomponente auf sieben Knoten möglich sei. Als langjähriger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen weiß er jedoch um die Schwierigkeiten, die damit verbunden wären. Insbesondere ist sehr ungewiss, ob die internationale Luftfahrtbehörde ICAO dem zustimmen würde.

          Bild: F.A.Z.

          Sollte sich in Frankfurt der Trend zu mehr Ostwetterlagen fortsetzen, ist es Jühes Ansicht nach umso wichtiger, alles zu tun, um zumindest die langjährige Verteilung der Betriebsrichtungen West zu Ost von 75 zu 25 Prozent zu sichern. Dies ließe sich durch eine optimierte Anwendung der gegenwärtig gültigen Fünf-Knoten-Regelung oder aber eine Anhebung der Rückenwindkomponente auf sieben Knoten bewirken.

          Die Anwohner im Westen des Flughafens, die seit Jahrzehnten am stärksten durch den Fluglärm belastet seien, hätten darauf einen Anspruch. Zugleich müssten aber auch die Kommunen östlich des Flughafens besser vor Lärm geschützt werden. Zum Beispiel könnten die Maschinen beim Anflug auf die Parallelbahnen Offenbach umkurven. „Segmented Approach“ heißt das schon erprobte Verfahren. Im schwierigen Alltag des boomenden Weltflughafens ließ sich das bisher aber nicht verwirklichen.

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