F.A.Z.-Leser helfen : Riesenechse im Strickmantel
- -Aktualisiert am
Eigenwillig: Julia Krause-Harder nutzt eine Vielzahl von Materialien für ihre Dinosauriermodelle. Bild: Albermann, Martin
Julia Krause-Harder hat sich viel vorgenommen: Sie will jede gefundene Dinosaurier-Art künstlerisch gestalten. Das erledigt sie im Atelier Goldstein, neben der Arbeit in einer Reha-Werkstatt und an einer Schule.
Das Senckenbergmuseum besucht Julia Krause-Harder fast jede Woche, denn Dinosaurier faszinieren sie. Auf ihrem Arbeitstisch im Atelier Goldstein stehen mehrere Boxen, gefüllt mit Hunderten von gebrannten Tonteilen. Mit Pinsel und Farbe gestaltet sie die einzelnen Knochen und Wirbel, zieht hier zarte Streifen in Lindgrün oder tupft dort kräftige Punkte in Blau auf. Jedes Skelett-Teil kommt zum Trocknen in eine weitere Box. Wenn sie damit irgendwann fertig ist, soll alles auf Stahldraht aufgezogen werden und ein Mussaurus, eine „Mausechse“, aus den Boxen erstehen.
Ein künstlerisches Experiment, denn bisher hat sie einen Saurier aus vielen kleinen Tonteilen nur liegend gefertigt, so wie er bei realen Ausgrabungen gefunden wird. Die Herstellung der Einzelteile und das Zusammensetzen jedes ihrer Dinosaurier erfordern ein großes Maß an Geduld. „Die brauche ich einfach, damit es auch gut wird, das kann man nicht mal eben so auf der linken Popobacke“, sagt sie lachend und arbeitet dabei konzentriert weiter.
Für den Lesothosaurus aus Afrika, dessen Metallskelett mit zahllosen kunstfertigen Strickteilen ummantelt ist, hat sie mehr als drei Monate gestrickt, genäht und gebaut. Die Teile mit teils komplizierten Norwegermustern hat sie so mit bunten Kabelbindern befestigt, dass sie wie abstehende Stacheln wirken. Auch am eigenen Körper trägt die ausgebildete Schneiderin gerne selbstgestrickte Pullover mit kunstvollen Tiermotiven oder dem Matterhorn – einem Motiv, das sie gegenwärtig stark in den Bann zieht. Ein nicht vollendeter Pulli sei auch der Auslöser für die Gestaltung des Stricksauriers gewesen, erläutert sie.
Viel Ausdauer gefragt
Ihr Anspruch ist es, jeden auf der Erde gefundenen und benannten Dinosaurier künstlerisch nachzubilden. Bei Dino Nummer 40 ist sie momentan, in etwa. Wissenschaftler streiten, ob es 700 Arten gibt oder doch weniger. Der Weg zum Ziel ist also noch lang und viel Ausdauer gefragt. Fit hält sich die Künstlerin mit Sport: mit Capoeira, dem brasilianischen Kampftanz, mit Fußball, Tischtennis und Skifahren.
Die meist mehr als zwei Meter langen Saurier stehen übereinander und hängen unter der Decke in der alten Lagerhalle einer ehemaligen Fabrik in Sachsenhausen, in dessen Remise das Atelier Goldstein untergebracht ist. Für den Anbau spenden F.A.Z.-Leser in diesem Jahr. Zu wenig Platz ist gerade für Julia Krause-Harder und ihre Kunstwerke ein großes Problem.
Nach Grundschule, Sprachheilschule und einem Schuljahr in England hat die heute Achtundvierzigjährige ihren Realschulabschluss auf einem Internat und später eine Ausbildung zur Schneiderin an der Frankfurter Schule für Mode und Bekleidung gemacht. Obwohl sie dort auch das Fachabitur geschafft hat, fand sie keinen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt und kam in Werkstätten für behinderte Menschen.
Mit Bonbonpapierchen, Plastikfolien und Kabelbindern
In der Reha-Werkstatt Druckerei Rödelheim des Frankfurter Vereins für soziale Heimstätten arbeitet sie auch heute noch, wenn sie nicht im Atelier ist, sonntags Führungen in ihren eigenen Ausstellungen anbietet, Schüler der IGS Nordend unterrichtet oder Lehrerfortbildungen leitet. „Mundstücke montieren oder immer nur Säckchen nähen in der Werkstatt, das fordert mich einfach nicht“, sagt Krause-Harder, die sich selbst gern als „Ideen-Spritze“ bezeichnet und damit einen Kern all ihrer Arbeiten trifft: Sie hat ständig neue Ideen, und die sind meist sehr raumgreifend.