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Frankfurter Fastnacht : Narrenschau nach der Dürrezeit

  • -Aktualisiert am

Buntes treiben: Vor Regenbogenfahnen tanzt eine Gruppe des TSG Neuenhain auf der Bühne. Bild: Lando Hass

Nach der Corona-Pause herrscht bei der Karnevalsgesellschaft Narrhalla Nachholbedarf. Thomas Bäppler-Wolf sorgt für Stimmung – auf sicherem Terrain.

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          „Endlich dürfen wir wieder feiern“, ruft Reingard Veit in den Saal. Natürlich bezieht sich die Sitzungspräsidentin der Frankfurter Karnevalsgesellschaft Narrhalla 1948 auf die Pandemiejahre, die auch den Narren eine ungewollte Pause verordnet hatte. Veit trifft mit ihren Begrüßungsworten aber auch den richtigen Ton, da Feiern angesichts von Krisen wie dem Krieg in der Ukraine, Terrorangriffen in Israel oder Krisen wie der Inflation natürlich auch ein wenig unangebracht wirken könne. Veit fragt also, ob es angemessen sei, Fastnacht zu feiern. „Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir müssen Fastnacht feiern“, sagt sie. Die Menge jubelt: „Helau!“

          Zum 75. Jubiläum der Narrhalla sind am Samstag gut 250 Karnevalisten und Feiernde in den Saalbau Volkshaus Enkheim an der Borsigallee gekommen. Der Großteil ist verkleidet, der Saal ist gut gefüllt, und so mischt sich die Schunkelmusik des DJs in ein Stimmenmeer, das immer wieder von lautem Lachen durchbrochen wird. Die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen, es scheint großer Nachholbedarf zu bestehen. Man solle heute „die Sorgen und Nöte vergessen und einen schönen Abend verbringen, sagt Veit, die die gesundheitlich angeschlagene Michaela Reichmann als Sitzungspräsidentin vertritt.

          Kurz redet sie über die Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte an Silvester in mehreren deutschen Städten, für die sie kein Verständnis habe. Diese Menschen seien für alle da, „egal ob männlich, weiblich oder divers“. Die Worte klingen geradezu wohltuend, da sie angesichts des fröhlichen Treibens nicht die Wirklichkeit draußen vor der Tür ignorieren.

          Vom Publikum bejubelt: Die Marching Band Sound of Frankfurt.
          Vom Publikum bejubelt: Die Marching Band Sound of Frankfurt. : Bild: Lando Hass

          Entsprechend dem Kampagnenmotto des Frankfurter Prinzenpaares des Großen Rats, einem Zusammenschluss von rund fünfzig Frankfurter Karnevalsvereinen, liegen auf jedem Tisch wie bei so vielen Sitzungen in diesen Wochen der fünften Jahreszeit Regenbogenfahnen aus. „Frankfurts Fastnacht – schrill und fein, und sechsfarbbunt noch obendrein“ ist die Botschaft, die Seine Tollität Larry I. und Ihre Lieblichkeit Nadin I. verbreiten möchten.

          Wollen eine Botschaft der Toleranz verbreiten: Das Prinzenpaar Prinz Larry und Prinzessin Nadin.
          Wollen eine Botschaft der Toleranz verbreiten: Das Prinzenpaar Prinz Larry und Prinzessin Nadin. : Bild: Lando Hass

          Kurz nach 21 Uhr ist das Prinzenpaar im Saal. „Es ist wahnsinnig toll, wieder in diese ganzen lachenden Gesichter zu gucken“, sagt Larry und wird von Veit für die Kampagne gelobt: „Ihr macht eine super Saison.“ Ihre Lieblichkeit Nadin I. betont das Motto: „Die bunte Botschaft ist uns wichtig, lebe frei, dann lebst du richtig.“ Nach einer Viertelstunde verlassen sie den Saal wieder. Sie müssen noch zu anderen Sitzungen an diesem Abend, aber ihre Botschaft und das Werben für Toleranz gerade auch in der manchmal hemdsärmeligen Fastnacht sind angekommen.

          Die Sitzung ist gespickt mit abwechslungsreichen Auftritten: Garde-, Solo- und Showtänze, Comedy, ein Bauchredner und die Marching Band The Sound of Frankfurt sorgen für ein Programm, das vom Publikum bejubelt wird. Auch der Präsident des Großen Rats, Axel Heilmann, und Kerstin Cikac treten auf mit einer Art Duell „Männer“ gegen „Mädels“, bei dem sich Cikac gegen das Gejammere Heilmanns über die „Angst vor seiner Frau“ überzeugend zur Wehr setzt. Sie bläst ihrem Partner auch im echten Leben sozusagen den Narrhallamarsch.

          Bleibt auf sicherem Terrain: Thomas Bäppler-Wolf.
          Bleibt auf sicherem Terrain: Thomas Bäppler-Wolf. : Bild: Lando Hass

          Die beste Resonanz erzielt aber Thomas „Bäppi“ Bäppler-Wolf, SPD-Stadtverordneter und bekanntes Gesicht der Karnevals- und Homosexuellenszene in Frankfurt, der sich humoristisch mit den letzten Pandemiejahren auseinandersetzt. „Stellt euch vor, der Virus wär nicht auf die Lunge, sondern auf den Darm gegange, da hädde wa alle Windeln getrage.“ Bäppler-Wolf, der in den Tagen nach Silvester wegen eines später von ihm bedauerten emotionalen Videos in sozialen Netzwerken, in dem er Angreifer auf Rettungskräfte in der Silvesternacht mit „Affen“ verglichen hatte, scharfe Kritik geerntet hat, bewegt sich auf der Bühne auf sicherem Terrain und meidet allzu Politisches. Er stimmt stattdessen harmlose Schunkellieder an, darunter „Humba Tätärä“ oder „Rucki Zucki“ von der Mainzer Karnevalslegende Ernst Neger und startet eine Polonaise durch die Halle. Der Saal tobt.

          Den Abend beenden der spektakuläre Tanz einer Gruppe der TSG Neuenhain und das musikalische Finale von KUK reloaded, einer Combo der drei Fastnachtsurgesteine Klaus Schönmann, Uwe Forstmann und Klaus Wimmer.

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