Angezettelt
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Jutta Ditfurth, frühere Bundessprecherin der Grünen und Antiatomkraft-Aktivistin, sitzt heute für die Liste ÖkoLinX-ELF im Frankfurter Stadtparlament. Bild: Philipp von Ditfurth
Handschriftliche Zettel haben immer schon Geschichte geschrieben. Jetzt hat auch die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung ein Beispiel gefunden.
Geschichte schreiben ist leichter, wenn man eine ordentliche Handschrift hat. Insofern ist der Stadtverordneten Jutta Ditfurth am Donnerstag im Stadtparlament ein Coup gelungen. Denn weil ihre kleine Fraktion ÖkoLinX-ELF mit der Ukraine-Resolution der Grünen, CDU, SPD, Linke, Volt und „Fraktion“ in Teilen nichts anfangen konnte und zudem nicht begeistert war, dass der zweieinhalbseitige Text erst spät am Nachmittag auf den Tischen lag, griff sie spontan selbst zum Kuli: „Es ist Krieg in Europa. Wir verurteilen den Angriff Russlands auf die Ukraine. Wir stehen an der Seite der Ukraine“, brachte die geübte Autorin in wenigen Augenblicken zu Papier. Und da die Stadtverordnetenversammlung ein Kommunalparlament ist, durfte auch dieser Zusatz nicht fehlen: „Die Stadt Frankfurt bereitet sich darauf vor, Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet aufzunehmen.“
Das mit der Vorbereitung zur Ankunft von Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet der Ukraine hatte zuvor schon die zuständige Sozialdezernentin Elke Voitl (Die Grünen) angekündigt. Auch auf den Rest des Textes zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russen in der Mini-Resolution konnte sich die Mehrheit der Stadtverordneten einigen. Eine Seltenheit bei Vorstößen der kleinen Fraktion am linken Rand der Stadtverordnetenversammlung, zumal Ditfurth in aller Regel nicht dafür berühmt ist, Dinge zu sagen, auf die sich alle fast einigen können. Doch vielleicht lag es in diesem Fall auch an der Kürze des Zettels, der in Kontrast zur langen Resolution der anderen Fraktionen stand, die mit Verweisen auf die KSZE-Schlussakte und der UN-Charta wesentlich detaillierter geriet. Aufmerksamkeitsökonomisch konnte Ditfurths Zettel punkten – wie einstmals Friedrich Merz’ (CDU) berühmte Einkommensteuererklärung auf einem Bierdeckel. Auch in diesem komplizierten Fall nun schien die Aussicht auf Komplexitätsreduktion ein attraktives Angebot zu sein.
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