
Gut geplant
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Mit Pola Becks Verfilmung von „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ haben die „Jüdischen Filmtage“ in Frankfurt stark begonnen. Dass das Programm auf aktuelle Themen setzt, ist eine gute Entscheidung.
Es geht heftig zu in Pola Becks Filmfassung von „Der Russe ist einer, der Birken liebt“, dem Romandebüt von Olga Grjasnowa. Mascha, eine Frau mit Wurzeln in Aserbaidschan, die als jüdischer „Kontingentflüchtling“ nach Deutschland kam, fünf Sprachen fließend spricht und von einer Karriere als Dolmetscherin bei der UNO träumt, verliert darin den Halt und stürzt sich in den Exzess. Ihr deutscher Freund hat sich beim Fußballspiel verletzt, muss operiert werden. Der Unfall, so scheint es zunächst, ist keine große Sache, doch dann entzündet sich die Wunde neu, fängt an zu eitern. Wieder muss er auf den OP-Tisch, doch zu retten ist er nicht mehr. Sein Tod wirft Mascha aus der Bahn. Spontan reist sie nach Israel, stürzt sich ins Nachtleben und eine Affäre – und spürt nun ihre eigenen Wunden, die das Leben ihr zugefügt hat: den kriegerischen Konflikt in ihrer Heimat, die Flucht, das Dazwischensein, die Rastlosigkeit.
Pola Beck hat aus Grjasnowas Roman einen fesselnden Kinofilm gemacht, mit intensiven Momenten, starken Bildern, nicht chronologisch, sondern sprunghaft erzählt. Und obwohl das Buch bereits vor zehn Jahren erschienen ist, könnte der Stoff kaum aktueller sein: Osteuropäische Geschichte, die NS-Zeit, die Folgen des Zusammenbruchs der Sowjetunion, aber auch die ganz persönliche Suche nach einer Identität wirken darin aufeinander ein. Die Komplexität von Gesellschaften, von Geschichte und Konflikten, wird in ihm deutlich. Und genau deshalb hätte man für die „Jüdischen Filmtage“ in Frankfurt kaum einen besseren, aktuelleren Eröffnungsfilm finden können als Becks Produktion, die im November bundesweit in die Kinos kommt. Am Sonntagabend wurde das Festival mit „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ im Kino des Deutschen Filmmuseums eröffnet.
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