F.A.Z.-Kongress : „Der Tod ist ein akzeptiertes Berufsrisiko“
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Nicola Winter (rechts) und Jan Wörner (Mitte) beim F.A.Z.-Kongress 2023 Bild: Frank Röth
Jan Wörner war ESA-Generaldirektor, Nicola Winter gehört zur Astronautenreserve. Sie sprechen über Nutzen und Gefahren der Raumfahrt – und die vergleichsweise geringen Kosten für die Bürger.
Für die Lufthansa ist Nicola Winter fünf Zentimeter zu klein gewesen. Im Cockpit eines Kampfjets hingegen sind kompakte Körpermaße definitiv kein Nachteil, und so machte die 1985 geborene Münchnerin eben Karriere bei der Bundeswehr: Als zweite Frau in Deutschland flog sie den Eurofighter. Doch Winter wollte noch höher hinaus: Sie studierte Luft- und Raumfahrttechnik und gehört seit November vergangenen Jahres als Reservemitglied zum Astronautenkorps der Europäischen Weltraumagentur ESA.
Warum will sie ins All fliegen? Angetrieben werde sie von einer „Mischung aus Pioniergeist, Abenteuerlust und dem Wunsch nach positiver Inspiration“, sagt Winter im Gespräch mit den F.A.Z.-Ressortleitern Sibylle Anderl und Manfred Köhler. Sie habe eine kleine Tochter, die solle „motiviert werden, Mathematik und Physik zu lernen“.
„Inspiration und Faszination ist an Menschen gebunden“, meint Jan Wörner, hessischer Raumfahrtbeauftragter und früherer ESA-Generaldirektor. Das sei ein starkes Argument für die bemannte Raumfahrt, findet der frühere Präsident der TU Darmstadt, aber er versteht auch, dass gerade in diesem Fall Kosten, Nutzen und Gefahren besonders genau gegeneinander abzuwägen sind.
Zehn Euro pro Jahr für die Raumfahrt
Generell fällt es Wörner leicht zu begründen, warum der Mensch ins All vorstoßen und dort Vorposten unterhalten sollte. „Ohne Raumfahrt wäre vermutlich der Klimawandel nicht entdeckt worden“, glaubt er – erst durch Missionen zur Venus, die von einem starken Treibhauseffekt geprägt wird, habe man die Dimension dieses Phänomens verstanden.
Auch trügen Experimente in der Schwerelosigkeit zum medizinischen Fortschritt bei, etwa in der Krebs- und AIDS-Forschung. Aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken seien satellitengestützte Navigations- und Zeitmesssysteme; sollten sie einmal ausfallen, wäre nach Winters Worten ein Blackout die Folge, der mit einem Zusammenbruch des Stromnetzes vergleichbar wäre.
Angesichts der großen Bedeutung von Weltraumtechnik gibt Europa laut Wörner verhältnismäßig wenig für die Raumfahrt aus – noch nicht einmal zehn Euro je Bürger und Jahr. Das Jahresbudget der ESA sei mit jährlich sechs bis sieben Milliarden Euro bescheiden, verglichen mit den rund 50 Milliarden, die in den USA zur Verfügung stünden. Trotzdem müsse Europa in technischer Hinsicht den Vergleich nicht scheuen. Das Satellitennavigationssystem Galileo etwa sei dreimal genauer als GPS, und die Ariane-5-Rakete sei lange Zeit die zuverlässigste ihrer Art gewesen.
Dass Nicola Winter in eine Raumkapsel steigen wird, ist derzeit nicht sehr wahrscheinlich, weil es schon zwei deutsche Astronauten gibt. Falls die ESA ihre Personalplanung ändere, könne sie mit dem Training beginnen, sagt sie, „aber bis dahin geht mein Leben ganz normal weiter“. Ihr Geld verdient Winter unter anderem als Hochschuldozentin für Notfall- und Krisenmanagement.
Entsprechend rational ist ihr Blick auf die Risiken, denen sich Astronauten aussetzen. Der Tod sei für sie ein „akzeptiertes Berufsrisiko“, eingegangen von „Menschen, die extrem informiert sind und wissen, was sie tun“.