Internationales Frankfurt : Irrtum ist korrigierbar, Irrsinn nicht
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Durchmischtes Publikum: Mit einem Migrantenanteil von rund 53 Prozent ist Frankfurt besonders multi-kulturell. Bild: dpa
Ja, es gibt gelegentlich zu viel Schwärmerei über die Internationalität Frankfurts. Allein an nackten Zahlen über die Zahl von Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund lässt sich über das Leben in der Stadt aber nichts ablesen.
Wer nur einen Hammer hat, dem kommt alles wie ein Nagel vor. Deshalb wirkt die Machart eines Berichts über Frankfurt in der „Neuen Zürcher Zeitung“ so trostlos: In der Stadt leben 23,6 Prozent Deutsche mit Migrationshintergrund und 29,5 Prozent Ausländer, macht zusammen 53,1 Prozent. So schreibt ein Buchhalter. Fertig ist die Laube und die deutsche Mehrheitsgesellschaft am Ende. Nicht dass die Zahlen falsch wären, aber sie sagen über das Leben in der Stadt ungefähr so viel, wie die Angabe „Apfelwein enthält 91,6 Prozent Wasser, 5 Prozent Alkohol und 2,6 Prozent Kohlehydrate“ etwas darüber sagt, wie Äppler schmeckt. Das Lebensgefühl traf jene junge Frau jedenfalls besser, die auf Twitter antwortete: „Liebe #nzz, sitze gerade in diesem Vorhof der Hölle auf der Gasse, esse Suppe und bin überrascht, wie spießig-gemütlich es bei der großen Umvolkung so zugeht.“
Ja, es gibt gelegentlich zu viel Schwärmerei in den Reden über die wunderbare Internationalität Frankfurts. Die Ansicht, jede Form der Zuwanderung sei aus sich heraus ein Gewinn, und irgendwie werde sich das Zusammenleben schon regeln, ist ein Irrtum. Da wird über Spannungen hinweggegangen – und wer sagt, dass er sich in der Tramlinie 11 gelegentlich wie in Istanbul vorkomme und deshalb leicht unbehaglich fühle, wird moralisch zurechtgewiesen. Der Satz ist aber so wenig fremdenfeindlich wie der Hinweis, die Drogenkriminalität am Hauptbahnhof sei in nordafrikanischer Hand. Darüber ist zu berichten und zu streiten, am besten nach Erkundungen in der Stadt und nicht mit Statistik-Referaten.
Irrtum ist korrigierbar, Irrsinn nicht. Und um Irrsinn handelt es sich bei der Bemerkung des gottlob ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen, die NZZ sei wie das „Westfernsehen“. Will heißen: Man muss ausländische Zeitungen lesen, um zu erfahren, was in Deutschland und in Frankfurt wirklich los ist, denn die „Wahrheit“ wird in deutschen Medien ja totgeschwiegen. Es genügt ein Hinweis, um diesen Humbug zu entlarven: Die NZZ selbst verweist auf ein Interview, das die F.A.Z. schon vor einem Jahr mit dem Integrationsforscher Maurice Crul geführt hat. Thema: Wie fühlen sich die Einwohner einer Stadt, in der die Mehrheit Einwanderer sind?