Dehoga-Geschäftsführer Wagner : „Hotels haben Platz für Tausende Ukraine-Flüchtlinge“
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Auch Frankfurter Hotels zeigen Flagge: Die dreijährige Miia aus Charkiw ist mit ihrer Mutter im Hotel Lindley Lindenberg untergekommen. Bild: Lucas Bäuml
Viele Hotels haben spontan Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Julius Wagner, Geschäftsführer des Hotel-und Gaststättenverbands in Hessen, erklärt im Interview, wie sich sein Verband die kommenden Wochen vorstellt.
Herr Wagner, in den Städten und Gemeinden kommen die offiziellen Aufnahmestellen für Flüchtlinge an Kapazitätsgrenzen. Der Dehoga, der Hotel- und Gaststättenverband in Hessen, hat schon früh erklärt, ebenfalls helfen zu wollen und Unterkünfte bereitzustellen. In welchem Ausmaß geschieht das?
Unserem Ausruf, Kapazitäten zu melden, sind mehr als 270 Hotels in ganz Hessen gefolgt, das ist fantastisch. Diese Häuser bieten Platz für 8200 Menschen.
Wie viele Flüchtlinge leben aktuell in den Hotels?
Das schwankt. Unser Verband meldet täglich den hessischen Landkreisen und über Städtetag und Landkreistag den kreisfreien Städten die Kapazitäten, die wiederum die Hotels uns gemeldet haben. Über die Kanäle der Institutionen werden die Angebote weitergegeben.
Wann sind die Behörden auf den Verband zugekommen?
Überhaupt nicht. Die Initiative kam von uns, sie kam aus der Branche. Ich zum Beispiel saß vor dem Fernseher und habe die Außenministerin gehört, wie sie gesagt hat: ‚Wir werden uns von unseren Kindern fragen lassen müssen, was wir getan haben.‘ So ging es vielen. Wir haben dann im Verband eine Vorstandssitzung einberufen und beschlossen zu handeln: Wir haben einen Hilfsaufruf publiziert, in den sozialen Medien unter anderem, eine Online-Eingabemaske bauen lassen und eine professionelle, extrem aufwendige Liste aufgesetzt, in die Betriebe sich eintragen können.
Welche Hotels sind dabei? Kommen die Zimmerangebote von Kettenbetrieben oder von privat geführten Häusern?
Es sind alle dabei, ausnahmslos alle. In den ländlichen Gebiete eher private Häuser, die dort überwiegen. Aber gerade in Frankfurt zum Beispiel, wo der höchste Bedarf ist, auch Kettenbetriebe, auch die ganz großen Marken. Es geht ja um zwei Dinge: zum einen um einen Akt der Hilfe für die Menschen, deren Leid sehen alle. Es geht aber auch um ein klares Statement, sich einzumischen gegen diese unsagbare kriegerische Aktion aus Russland.
Funktioniert die Zusammenarbeit, die Sie der öffentlichen Hand anbieten?
In Frankfurt ist es momentan nicht leicht. Dort ist der Zustrom am größten, und die Verwaltung arbeitet sicher am Anschlag, aber die reine Menge an Menschen, die in der Stadt ankommt, muss erst einmal bewältigt werden. Ich selbst habe dieser Tage für 400 Personen ad hoc eine Unterbringung in die Hotellerie vermittelt, ohne städtischen Segen oder städtische Hilfe.
Etliche große Hotels haben, vor allem für Katastrophenfälle, Klinik-Konzessionen. Brauchen die Betriebe für die Flüchtlingsunterbringung jetzt etwas Ähnliches?
Grundsätzlich nicht. Es gibt aber operative Herausforderungen. Zum Beispiel, wenn ein Hotel nur Frühstück anbietet oder gar kein Restaurant hat oder pandemiebedingt sein Restaurant geschlossen hat.
Was passiert dann?
Die Leute müssen ja trotzdem essen. Im Hyatt Place Hotel am Frankfurter Flughafen zum Beispiel haben wir 100 Leute untergebracht – auch ohne jede Unterstützung der Stadt übrigens. Das Frühstück ist dort kein Problem, es ging um die Abendverpflegung. Da haben wir dann den Airport-Caterservice am Flughafen angerufen, und die haben sofort gesagt: ‚Kein Problem‘. Die liefern jetzt aus der Großküche Essen, jeden Tag, gratis.
Das sind sicher sehr berührende Momente, solche Hilfsbereitschaft zu erleben.
Ja, das ist großartig für den Moment. Der Punkt ist aber: Das kann kein Dauerzustand sein. Ohne Unterstützung der Verwaltung geht es langfristig nicht.
In vielen Hotels ist das Personal noch in Kurzarbeit. Holen die Betriebe die Mitarbeiter für die Flüchtlingsbetreuung jetzt zurück?
Da kommen wir wieder auf die Kostenfrage, die à la longue entsteht. Wenn die Kapazitäten, die uns zum Beispiel für Frankfurt gemeldet werden, auf offiziellem Weg, also von der Stadt, in Anspruch genommen werden, dann ist es möglich und erforderlich, Leute aus der Kurzarbeit zurückzuholen. Das geht aber nur, wenn es mit der Stadt einen Vertrag über die Anzahl der zu Betreuenden gibt.
Hilfsbereitschaft gibt es nicht dauerhaft zum Nulltarif, lässt sich das so zusammenfassen?
Es geht darum, dass über einen Vertrag mit der Stadt zumindest die laufenden Betriebskosten gedeckt sind. Niemand, und das höre ich auch aus Konzernzentralen, schaut in diesem Zusammenhang auf so etwas Infames wie Gewinn. Aber die Leute, die sich in den Hotels um alles kümmern, die müssen auch dafür bezahlt werden. Wir erwarten, dass die öffentliche Hand die Initiativen, die auf eine dauerhafte Unterbringung der Menschen angelegt sind, finanziert, das ist schließlich ihre Aufgabe.