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Debatte um „Günthersburghöfe“ : Ökologisch bauen heißt städtisch bauen

Die „grüne Lunge“ Frankfurts: Bebauungsgegner haben Aufkleber verteilt. Bild: dpa

Frankfurt braucht dringend neuen Wohnraum. Das aussichtsreiche Projekt Günthersburghöfe aber wird von den Grünen abgelehnt. Die Begründung: ökologische Bedenken. Doch gerade unter diesem Gesichtspunkt müssten sie dem Vorhaben eher zustimmen als es zu verdammen.

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          Die Stadt Frankfurt ist in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen. Mit den bekannten Folgen: Die Nachfrage nach Wohnraum übertrifft das Angebot, die Preise und Mieten sind enorm gestiegen. Für viele Menschen wird das Leben in Frankfurt unbezahlbar, die Stadt braucht dringend Entlastung. Doch statt neuen Wohnraum zu ermöglichen, kippen die Grünen das Wohnprojekt Günthersburghöfe, das 1500 Wohnungen in bester Nordendlage versprach, davon 500 im geförderten, preiswerten Segment.

          Für das Projekt müssen einige Freizeitgärten bebaut werden. Das sorgt im Stadtteil für Proteste. Zwar haben Gutachter belegt, dass das Vorhaben unter klimatischen Aspekten unbedenklich ist. Damit ein Großteil der schützenswerten Bäume erhalten bleiben kann, wurde die Baumasse stark verdichtet. Doch die Gegner überzeugt das nicht. Dabei müssten sie dem Projekt gerade unter ökologischen Gesichtspunkten eher zustimmen als es zu verdammen.

          Klingt paradox? Die Erklärung ist ganz einfach. Erstens: Irgendwo müssen die Menschen wohnen. Wenn an dieser Stelle nicht gebaut wird, dann anderswo und das heißt in der Regel – weiter außerhalb. Anders als in einem stark verdichteten Stadtteil wie dem Nordend, wo eine hohe bauliche Dichte der städtebaulichen Tradition entspricht und von der Bevölkerung akzeptiert wird, wird in weniger zentralen Gebieten viel lockerer und „weicher“ gebaut. Um die gleiche Anzahl an Wohnungen außerhalb abzubilden, muss ein Vielfaches an Baugrund versiegelt werden. Das geht natürlich umso mehr zu Lasten der Umwelt.

          Zweitens: Der große Vorteil einer stärkeren Verdichtung der Städte ist, dass die verkehrliche Infrastruktur schon vor der Tür ist und nicht mühsam geschaffen werden muss. Autoarme Quartiere mögen in der Stadt funktionieren, weil die Straßenbahnhaltestelle ums Eck liegt. In dünner besiedelten Regionen können viele Bewohner aber nicht eine Stunde auf den Bus warten, um in die Stadt zu kommen. Wer außerhalb Wohnungen baut, der erzeugt viel mehr Pendlerverkehr als innerhalb einer Stadt. Während sich die Bewohner der Günthersburghöfe aufs Fahrrad schwingen können, um zur Arbeit zu kommen, nehmen Menschen aus Karben ihr eigenes Auto und fahren dann über die Friedberger Landstraße in die Stadt – vorbei an den unbebauten Freizeitgärten. Sie verursachen dabei ein Vielfaches an Kohlendioxid als in der Innenstadt.

          Rainer Schulze
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

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