Gerangel um die Fashion Week : Von Frankfurt lernen
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Plakativ: Szene von der Fashion Week in Berlin Bild: EPA
Berlins FDP-Vorsitzender Christoph Meyer lobt in seinem Beitrag das Engagement der Mainmetropole und ihre Verbundenheit zum Unternehmertum. Gleichzeitig sieht er an diesem Beispiel bestätigt, wie die Hauptstadt weiter an Bedeutung verliert.
Wichtige Modemessen verlassen Berlin und machen 2021 in Frankfurt am Main weiter. Wen wundert’s? Denn derweil die Hauptstadt überheblich auf den Rest der Republik schaut, wird am Main aus sehr viel weniger Startkapital oft sehr viel mehr.
Berlin musste eigentlich nicht viel machen, damals in den 1990er Jahren. Wenig schien verboten, alles möglich. In Berlin konnte jeder so sein, wie er wirklich ist. Berlin ist seither ein spannender Ort für die Kreativwirtschaft und digitale Pioniere gewesen. Aus der einstigen Frontstadt des Kalten Krieges wurde Deutschlands Vorzeigeadresse, die Nummer eins der Republik. Die Stadt wurde zu einem Sehnsuchtsort. Was allerdings organisch in den Hinterhöfen Kreuzbergs bis in die Lofts von Wilmersdorf heranwuchs, braucht irgendwann einen strukturellen Unterbau. Und genau da beweist der Berliner Senat ein geradezu vernichtend schlechtes Händchen.
Liebloses Gebuhle um die IAA
Erst verhinderte man im Herbst 2018 den Google Campus, der eine ungeahnte Strahlkraft auf die Berliner Start-up-Szene hätte ausüben können, dann das lieblose Gebuhle um die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) und nun der Verlust der wichtigen Modeschau Premium, der Händlermesse Seek und von Neonyt, einer Plattform für nachhaltige Mode. Zuerst hieß es, dass auch die Fashion Week an den Main abwandere. Diese solle laut Veranstalter allerdings weiterhin stattfinden – die nächste 2021. Ob es dann auch wirklich dazu kommt, bleibt abzuwarten. Denn die Beispiele zeigen: Berlins Landesregierung ist besonders gut darin, die eigenen Flaggschiffe zu versenken. Mittlerweile verlassen auch Galeristen und Kunstsammler die Stadt, viele unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Die großen Namen zeugen allerdings vom großen Verlust für die Stadt. Christian Flick packt seine 1500 ausgestellten Kunstwerke bis 2021 ein, er verlässt die Hallen am Hamburger Bahnhof. Julia Stoschek stellt an der Leipziger Straße aus, weil auch die Unterstützung der Stadt fehlt, geht sie nun ebenfalls. Da fehlt es nicht nur an Wertschätzung für herausragende Einzelleistungen, sondern dem Wissen darum, dass sich jede Vernissage oder jedes Event entsprechend positiv auf den Wirtschaftsfaktor auswirkt.
Das alles sind lediglich Symptome für einen toxischen Cocktail aus Unvermögen und der Angst vor zu viel Hauptstadtumsatz, vor zu viel Glanz und Glamour. Die grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop vermittelt oft den Eindruck, dass sie bei vielen Projekten nicht weiß, wie sie sie umsetzen soll. Mitunter wirkt es auch vorsätzlich, vielleicht geschieht das auch, weil sie keinen Rückhalt in der eigenen Partei hat. Für das Werben um die IAA gab es heftige Kritik von der Basis, und bei Google stand Kreuzbergs Baustadtrat und Parteifreund Schmidt in der ersten Reihe – und zwar bei denjenigen, die lautstark gegen den amerikanischen Konzern mobil machten. Immerhin das Tesla-Werk scheint zu klappen, vermutlich, weil Berlins Anteil denkbar gering ausfiel und die Brandenburger den Deal unter Dach und Fach brachten.
In Frankfurt, das die IAA an München verloren hatte, steckten sie nicht etwa den Kopf in den Sand, sondern suchten nach neuen Perspektiven. Als die Modemessen vakant schienen, griff Frankfurt beherzt zu. Jedenfalls müssen sie sich am Main verwundert die Augen gerieben haben über so wenig Gegenwehr aus der Hauptstadt. Frankfurt scheint eine andere Tradition zu pflegen, eine besondere Verbindung zu Unternehmertum bei entsprechender Sensibilität dafür, wann es sich lohnt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Unternehmen und Messen für sich zu gewinnen.
Als sich beispielsweise der Brexit abzeichnete, warb Frankfurt offensiv um die Banken, die mit dem Gedanken spielen, ihren europäischen Hauptsitz von London auf das Festland zu verlagern. Der Spirit reichte von der Stadtverwaltung bis hinein in die Privatwirtschaft. Denn obschon das Bankenviertel nicht nur Befürworter hat, wertet es die Stadt entschieden auf. Denn am Standort hat sich eine vielversprechende Start-up-Szene entwickelt, besonders Fintechs fühlen sich im Schatten der großen Bankentürme wohl. Die Wege sind kurz, und die Klientel ist international.