Geheimpapier : CDU-Mann rechnet mit „Bionadebourgeoisie“ ab
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Legt sich in einem Strategiepapier mit den Grünen an: der Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Zimmer Bild: Lüdecke, Matthias
In einem geheimen Papier empfiehlt der Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer seiner Partei den selbstbewussten Umgang mit den Grünen.
Das wird Ärger geben. Denn die Sätze, die der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer in dem Thesenpapier „Über den Umgang der CDU mit den Grünen“ zusammengefasst hat, lassen wenig Gutes an jener Partei, mit der sein Kreisverband im Römer seit 2006 koaliert. Auf vier Seiten, die der Rhein-Main-Zeitung, dem Kreisvorstand und Teilen der Bundestagsfraktion vorliegen, teilt Zimmer mächtig aus.
Er beginnt mit einer Bestandsaufnahme. So seien die Grünen-Wähler überdurchschnittlich gebildet; sie verdienten im Schnitt auch mehr als etwa FDP-Mitglieder. Zudem arbeiteten sie relativ oft im öffentlichen Dienst. Dies erkläre die guten Wahlergebnisse der Partei vor allem in jenen Städten, in denen öffentliche Dienstleistungen eine große Rolle spielten.
„Partei der Satten, Saturierten und Abgesicherten“
So weit, so friedlich. Aber schon der nächste Satz verrät, dass es hier vor allem um die Frage geht, wie selbstbewusst die CDU mit den in vielen Wahlen 2011 höchst erfolgreichen Grünen umgehen sollte. Bei Zimmer heißt es: „Die Grünen sind also eine Partei der Satten, Saturierten und Abgesicherten, die sich einen Lebensstil leisten können, der vorrangig auf Fragen des ,guten Lebens’ abzielt: Authentizität, Selbstverwirklichung, kulturelle Reichhaltigkeit, unbedingter Schutz der Natur und der Lebenswelt.“
Während die Christdemokratie, die Sozialdemokratie und der Liberalismus auf Ideen basierten, die sich im 19.Jahrhundert formiert hätten, sei „das Fehlen eines in sich konsistenten Menschen- und Weltbildes“ eine große Schwäche der Grünen. „Sie sind keine im Grundsätzlichen verwurzelte Partei, sondern tragen immer noch das Geburtsmal der Opposition und des Protestes in sich“, schreibt Zimmer. Im Regierungsfall würden dann auch sehr rasch angeblich eherne Überzeugungen dem Pragmatismus geopfert.
Als Beispiel nennt er die Zustimmung der ursprünglichen Pazifisten zu einem „völkerrechtlich bedenklichen Krieg“ im Kosovo 1999. Außerdem wollten die Grünen jedes Leben schützen - bis auf das ungeborene. „Hier drängt sich der Verdacht auf, dass jeder Molch und Lurch geschützt wird, aber die Verfügbarkeit des ungeborenen menschlichen Lebens einer Lifestyle-Entscheidung unterliegt.“
Grüne Lebensweise als „Lifestyle“
Den Ursprung der Grünen sieht Zimmer gespeist aus „diffuser Technikkritik, romantischer Naturmystik und einer Opposition gegen Aspekte der industriellen Moderne“. Mittlerweile jedoch sei daraus ein eigener Lebensstil geworden. „Auf der Basis geregelter und gesättigter Lebensentwürfe wird die grüne Lebensweise zu einem Luxuslifestyle.“ So falle es nur dort leicht, auf Motorisierung zu verzichten, wo es ein gutes Netz des öffentlichen Nahverkehrs gebe. Und der „demonstrative Gebrauch des Fahrrads“ sei nur dort einfach, wo sich genug Geschäfte in Wohnungsnähe fänden. Und die Präferenz für gesunde Öko-Kost „ist der Lebensstil eines Milieus, das dafür auch das notwendige Kleingeld hat“.
Das Nordend in Frankfurt belege exemplarisch, wie die eigene Klientel geschützt werde, meint Zimmer. „Höhepunkt sind die Bemühungen, die erfolgreich gentrifizierte Nachbarschaft gegen den Zuzug unerwünschter sozialer Schichten abzuschotten. Bei der Armut hört der Spaß eben auf, vor allem im eigenen Stadtteil.“
Die Strategie, Grünen-Anhänger an die CDU zu binden, hält Zimmer für falsch. Denn die Wählerwanderung zwischen beiden Parteien sei aus den oben genannten Gründen gering. „Es macht also keinen Sinn, sich auf das ,grüne Spiel’ einzulassen in der Hoffnung, damit Wählerstimmen ziehen zu können.“
Die Sache mit den Wohlfühlthemen
Vielmehr müsse seine Partei daran arbeiten, die „eigentümliche Arbeitsteilung“ zu ändern. Es könne auf Dauer nicht funktionieren, dass die CDU in einer Koalition stets für die schwierigen und kontroversen Themen wie Arbeit und Sicherheit verantwortlich sei, während die Grünen die Wohlfühlthemen bearbeiteten. Die Union solle stärker aus dem eigenen Menschenbild heraus argumentieren. Als Anwalt der kleinen Leute dürfe die CDU eben nicht um „die Stimmen der Bionadebourgeoisie“ werben, sagt Zimmer, der empfiehlt, die Grünen stärker als „Luxusphänomen“ zu thematisieren. Konfrontationen, auch koalitionsintern, dürfe man keinesfalls ausweichen.
Auf Anfrage sagte Zimmer gestern, das Papier sei nach Diskussionen in der Bundestagsfraktion entstanden. In Berlin träfen sich demnächst CDU-Abgeordnete großer Städte, um eine Strategie im Umgang mit den Grünen zu erarbeiten.