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Schau in Frankfurter Bunker : Mit Fotos gegen Antisemitismus

  • -Aktualisiert am

Setzt antisemitischen Umtrieben Fotos eines selbstbewussten deutschen Judentums entgegen: der in Israel geborene und aufgewachsene Fotograf Rafael Herlich Bild: Helmut Fricke

Antisemitismus zeigt sich auch hierzulande wieder häufiger. Fotograf Rafael Herlich hält in Frankfurt dagegen. Seine Ausstellung im Bunker zeigt ein selbstbewusstes Judentum.

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          Hakenkreuze in Schulheften, „Jude“ als Schimpfwort: Antisemitismus, so zumindest die Meinung aufmerksamer Beobachter, scheint hier und da durchaus wieder gesellschaftsfähig zu sein und zeigt sich immer häufiger. Der jüdische Fotograf Rafael Herlich will diese Entwicklung nicht einfach hinnehmen. In vielen Fotoausstellungen in Frankfurt hat er diesen Umtrieben Fotos eines selbstbewussten deutschen Judentums entgegengesetzt, das die Gesellschaft und diese Stadt bereichert.

          Derzeit bereitet Herlich sein Meisterstück vor. Im Hochbunker an der Friedberger Anlage richtet er eine Ausstellung mit 120 großformatigen Fotografien ein, die das blühende jüdische Leben in Deutschland zeigen sollen. Hessen Ministerpräsident Volker Bouffier wird die Schirmherrschaft übernehmen, Bürgermeister Uwe Becker (beide CDU) wird die Schau „Jüdisches Leben in Deutschland heute“ am Sonntag, 28.April, um 11 Uhr eröffnen.

          Als erstes ein Foto von Trude Simonsohn

          Kommt man in den Ausstellungsraum, fällt der Blick als erstes auf ein Foto von Frankfurts Ehrenbürgerin Trude Simonsohn, die am Montag in der Bildungsstätte Anne Frank ihren 98. Geburtstag feiern will. Sie hält auf diesem Bild demonstrativ einen Judenstern aus der Nazizeit in die Kamera – als Warnung vor einer Wiedergeburt des organisierten Judenhasses wie auch als Zeichen des Sieges über die Nazidiktatur.

          Mitstreiter hat Herlich in der Initiative 9. November gefunden, die in dem Hochbunker, der auf dem Areal der in der Pogromnacht vom Nazi-Mob gebrandschatzten Synagoge der orthodoxen Israelitischen Religionsgemeinschaft errichtet wurde, seit etwa drei Jahrzehnten an die jüdische Geschichte Frankfurts und den Holocaust erinnert. Wenn die Initiative demnächst wieder die Besuchssaison eröffnet, werden gleich vier Ausstellungen in den Bunkerräumen zu sehen sein.

          Heimatlos gewordene Menschen

          Im Erdgeschoss erinnert seit 2004 eine Schau an das verschwundene jüdische Leben im Ostend. Sie werde immer noch, wie Elisabeth Leuschner-Gafka vom Vorstand der Initiative berichtet, von vielen Schulklassen besucht, aber auch von Einzelgästen, darunter seien oft Besucher aus Israel, Amerika und England. Die Ausstellung über jüdische Musiker wandert in den Keller des Bunkers und wird dort neu aufgebaut. Im ersten Stock geht es thematisch weiterhin um „Displaced Persons“, also um durch den Krieg heimatlos gewordene Menschen, darunter vor allem Juden.

          Daneben richtet Herlich seine Fotoausstellung ein. Auf den Bildern zeigt er unter anderem jüdische Kinder, die Bar Mizwa feiern, und ehemalige Frankfurter, die im Klassenzimmer ihrer früheren Schule, dem Philanthropin, sitzen oder die Damen der jüdischen Frauenorganisation Wizo, die ihren Bazar präsentieren. In einer zweiten Abteilung setzt sich Herlich, dessen Vater seine erste Frau in Auschwitz verloren hat, mit dem Antisemitismus auseinander. Sein Ziel ist es in erster Linie, junge Menschen so zu sensibilisieren, dass sie sich wehren, wenn sich Altersgenossen antisemitisch äußern oder handeln.

          Früherer Bunker als „Denkort“

          Die Initiative 9. November setzt bei ihrer Arbeit vor allem auf Führungen von Schulklassen und Gruppen junger Menschen. „Sie kommen in der Regel mit wenig Wissen hier hin“, sagt Leuschner-Gafka. Deshalb seien Einführungen in das Thema und Erläuterungen der Ausstellungen sinnvoll seien. Gruppen, die an einer solchen Führung interessiert sind, können sich schon jetzt bei der Initiative anmelden.

          Deren nächstes Ziel ist es, den Bunker zu einem „Denkort“ umzugestalten. Die Römerkoalition scheint dem Vorhaben nicht abgeneigt zu sein und will für eine Machbarkeitsstudie 200.000 Euro in den Haushalt 2020/21 einstellen. Es gilt, den Bunker behutsam zu renovieren, so dass sein Erscheinungsbild als authentischer historischer Ort nicht allzu stark verändert wird. Die Initiative hegt den Plan, nach einer Sanierung dauerhaft die Ausstellung „Synagogen in Deutschland – eine virtuelle Rekonstruktion“ zu zeigen. In der Schau werden 24 zerstörte jüdische Gotteshäuser digital wieder zum Leben erweckt.

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