Feiern unter freiem Himmel : Schobbe petze unn babbele
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Hier babbelt der Frankfurter, wie ihm der Schnawwel gewachse ist: Apfelweinwirtschaft „Daheim im Lorsbacher Thal“ Bild: Lukas Kreibig
Die Frankfurter feiern gerne, vor allem unter freiem Himmel. Am liebsten in einer Gaddewertschaft – manchmal aber auch im Wald. Das hat lange Tradition in der Mainmetropole.
Der Frankfurter trinkt am liebsten Ebbelwei. Dazu isst er Handkäs’ mit Musik und Rippchen mit Kraut. Ja, und natürlich auch Flaaschworscht und Schnitzel und Presskopp und Sachsenhäuser Schneegestöber. Und im Sommer tut er das am liebsten unter freiem Himmel. Dort sitzt er, sobald sich die ersten Sonnenstrahlen zeigen, an langen Tischen, petzt aan Schobbe nach’m annern unn babbelt, wie ihm der Schnawwel gewachse is.
Auswärtige betrachten diese Szenerie mitunter mit Befremden. Zutiefst unverständlich bleibt ihnen vor allem, welche Mengen an Apfelwein die Einheimischen aus den gerippten Gläsern in sich hinein- schütten können.
Doch setzen sie sich erst einmal dazu, kosten vom sagenumwobenen Stöffche, probieren die berühmte Grüne Soße und lassen sich von der ortsüblichen Gemütlichkeit anstecken, dann merken auch sie schnell, dass es kaum etwas Schöneres gibt als einen Gadde mit hohen Platanen, grobem Kies und ausreichend wetterfestem Gestühl.
Andernorts heißen solche Orte der Geselligkeit vielleicht Biergarten – in Frankfurt eben Gaddewertschaft. Davon gibt es zum Glück in jedem Stadtteil ein paar. Touristen, Messebesucher und andere neugierige Zugereiste lassen sich dort meist nicht blicken, die amüsieren sich lieber in den lärmenden Stadtführer-Schänken in Sachsenhausen und Bornheim.
Kein Gadde, sondern ein Wäldche
Der größte und beliebteste Gadde von allen ist im Übrigen nur einmal im Jahr geöffnet – und er ist eigentlich gar kein Gadde, sondern ein Wäldche. Zu Beginn der Freiluftsaison wird in Frankfurt nämlich jedes Jahr am Dienstag nach Pfingsten der Wäldchestag gefeiert, und was sich dann im Stadtwald in der Nähe des Oberforsthauses abspielt, ist im Grunde nichts anderes als ein großes, rauschendes Fest, bei dem die Menschen an langen Tischen Schobbe petze unn babbele, bis es Nacht wird.
Das hat eine sehr lange Tradition: Bei Wurst, Bier und Apfelwein trafen sich die Leute schon im Mittelalter im Stadtwald. Auch für den guten alten Goethe war es eine Selbstverständlichkeit, dass an Pfingsten ausgiebig gefeiert wurde, und zwar draußen, in ländlichem Ambiente, im Wäldchen eben.
So pilgern bis heute am Dienstag nach Pfingsten Einheimische und Eingeplackte zum Oberforsthaus, auch wenn immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern den freien Nachmittag gestrichen haben und sich der Frankfurter Nationalfeiertag über die Jahrzehnte zu einem typischen Volksfest mit Karussell, Riesenrad, Geisterbahn, Schieß- und Fressbuden entwickelt hat, das sich über das gesamte Pfingstwochenende hinzieht. Aber das Prinzip der Geselligkeit unter freiem Himmel ist doch immer noch dasselbe – und in der Mainmetropole fest verwurzelt.
Wenn der große Rausch an Pfingsten schließlich vorüber ist, dann verbringen die Frankfurter den Rest des Sommers in etwas kleinerem Rahmen – aber bevorzugt eben in der Gaddewertschaft. Manche dieser Begegnungsstätten des Bürgertums hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert und kann mit bestem Gewissen als traditionell bezeichnet werden.
Andere Wirte haben sich angesichts des massenhaften Zuzugs von außerhalb dem Zeitgeist hingegeben und lassen inzwischen sogar Bier und andere fremdartige Getränke und Speisen servieren. Der Frankfurter Open-air-Geselligkeit hat das durchaus gutgetan. Und die Klärung der Frage, in welchem Gadde man nun am besten sitzt, isst und trinkt, die bleibt ja immer noch jedem selbst überlassen.
Scheene Gadde
Zum Bären: Wenn gerade nicht Corona herrscht, ist auf dem Höchster Schlossplatz von den ersten schönen Tagen im Frühjahr bis zu den letzten im Altweibersommer ordentlich Andrang. Vor allem in diesem Gasthaus, in dem hemdsärmlig, aber freundlich von mittags bis abends deftige Kost aller Art serviert wird. Höchster Schlossplatz 8, Höchst, Internet www.zumbaeren.net
Gerbermühle: Im Sommer gibt es kaum einen schöneren Platz am Main. Unter den Füßen knirscht der Kies, über den Köpfen rauschen die Blätter, und auf dem Fluss ziehen die Schiffe vorüber. Kein Wunder, dass schon der alte Goethe gern hierherkam. Gerbermühlstraße 105, Oberrad, Internet www.gerbermuehle.de
Lorsbacher Thal: Daheim im Lorsbacher Thal In dieser traditionsreichen Wirtschaft im Herzen Alt-Sachsenhausens ist der Ebbelwei zu Hause. Nirgendwo sonst in der Stadt gibt es mehr Apfel-weine im Ausschank. Dazu kommen Frankfurter Klassiker und typisch deutsche Küche auf den Tisch. Große Rittergasse 49, Alt-Sachsenhausen, Internet www.lorsbacher-thal.de
Oberschweinstiege: An dieser Stelle gibt es schon seit mehr als 120 Jahren ein Gasthaus. Und seit ein paar Jahren macht es einen Besuch im Forst wieder zu einem großen Vergnügen mit Frankfurter Klassikern, Wildgerichten, mediterraner Kost und Steaks – zur Freude der vielen Spaziergänger, Ausflügler und Familien, die am Wochenende in den Stadtwald kommen. Oberschweinstiegschneise 65, Sachsenhausen, Internet www.oberschweinstiege-frankfurt.de
Speisekammer: Das ist mal ein „scheene Gadde“: Entspannt sitzen die Gäste unter einer Kastanie und einer Platane auf gusseisernen Bänken mit Rückenlehnen und genießen den Sommerabend. Auf den Tischen stehen Ebbelwei-Schoppen und Weingläser, aus der Küche kommt eine Auswahl traditioneller Gerichte, wie man sie in Frankfurt in dieser Qualität nur selten serviert bekommt. Alt Heddernheim 41, Heddernheim, Internet www.speisekammer-frankfurt.de
(bad.)