Frankfurter Bauschüler : Dem Experiment verpflichtet
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Arbeiten der Studenten in der Städelschule - derzeit studieren dort Architekten aus 19 Ländern. Bild: Wolfgang Eilmes
Die Architekturklasse der Frankfurter Städelschule ist ein Weiterbildungskurs für gelernte Baukünstler aus aller Welt. In der Stadt ist sie kaum bekannt. Das soll sich ändern.
In einem Punkt sind sich Marie-Theres Deutsch, Till Schneider und Michael Schumacher einig: Die Ausbildung an der Städelschule habe sie zu besseren Architekten gemacht. Die drei sind die bekanntesten Frankfurter Schüler der Architekturklasse der wohl kleinsten Kunstakademie Deutschlands. Sie haben in den achtziger Jahren unter dem damaligen Leiter Peter Cook in der Meisterklasse gelernt und beachtliche Karrieren gemacht.
Für Schneider, der mit Schumacher ein gemeinsames Büro gründete, waren die Jahre an der Städelschule die beste Zeit des Studiums. Die Grundlagen ihres Berufs hatten sie zuvor an anderen Hochschulen gelernt. Damals wie heute wendet sich die Städelschule an Architekten, die nach ihrer Ausbildung noch ein Postgraduiertenstudium absolvieren wollen. „Wir haben dort eine konzeptionelle Schärfung erhalten, aufbauend auf unserem zuvor erlernten konventionellen Handwerkszeug“, sagt Schneider. Und Schumacher ergänzt, man sei auf sich selbst zurückgeworfen worden. „Es ging nicht mehr darum, ob das Haus auch wirklich hält, sondern um den künstlerischen Kern der Arbeit.“
Ihr Professor Peter Cook war ein passionierter Lehrer, der in seinen Arbeitsraum an der Städelschule ein Schlafzimmer integriert hatte. „Es war eine Kopie seiner Wohnung in London und dadurch ein ganz besonderer Ort“, erzählt Schneider. Cook war gut vernetzt und holte bedeutende Architekten als Juroren an die Städelschule. „So haben wir als Studenten wertvolle Kritiken bekommen.“
Nicht zu viel Harmonie
Marie-Theres Deutsch studierte von 1980 bis 1985 an der Städelschule, mit Unterbrechungen. „Man hat auch mal eine Pause gemacht und ist zwischendurch arbeiten gegangen“, berichtet die Architektin. Es war die Zeit des Übergangs von dem legendären Leiter Günter Bock zu Peter Cook. Deutsch lernte in einer kleinen Klasse von nur zwölf Studenten. „Wir waren eine große Familie.“ Doch zu viel Harmonie war nicht in Cooks Sinn: Er habe seine Studenten motiviert, auch untereinander in den Wettbewerb zu treten, erinnert sich Deutsch. In den Semesterferien verwirklichte sie ihr erstes Projekt: das Kassenhäuschen im Kino Harmonie in Sachsenhausen.
Auch Deutsch kann sich noch gut daran erinnern, wie wohltuend die künstlerische Freiheit an der Städelschule nach dem verschulten und „sehr technischen“ Grundstudium auf sie wirkte. „Ich war durch die Ausbildung an der Fachhochschule so verkastelt im Denken.“ Das habe Cook gelockert. Er habe ihr beigebracht, auf die „Seele des Ortes“ zu achten.
Die Architekturklasse gibt es schon, seit die Städelschule 1817 gegründet wurde. Als Johann Friedrich Städel das nach ihm benannte Kunstinstitut ins Leben rief, fasste er die künstlerische und architektonische Ausbildung zusammen. Seit 2006 ist die Architekturklasse ein zweijähriger Masterstudiengang. Auch heute noch steht die künstlerische Vertiefung im Vordergrund. „Man lernt bei uns eine neue Denkweise, wie man mit architektonischen Problemstellungen umgeht“, sagt Johan Bettum. Der Norweger unterrichtet seit 2001 an der Städelschule und ist inzwischen Programmleiter für die Architekturausbildung.
„Wie bei einem Forscher, der Medikamente an Mäusen testet“
Seit 2010 gibt es drei Klassen mit rund 30 Studenten pro Jahr; für architektonischen Entwurf, Architektur und ästhetische Praxis sowie Architektur und Stadtgestaltung. Geleitet werden die Klassen von Bettum und seinen Kollegen Ulrika Karlsson und Peter Trummer. Der Studiengang hat international einen guten Ruf, die Studenten kommen derzeit aus 19 unterschiedlichen Ländern. Die Bewerbungsgespräche werden über Skype geführt. Wer sich bewirbt, muss schon Architekt und technisch qualifiziert sein. Die Ausbildung basiert auf verschiedenen Modulen und öffentlichen Vorlesungsreihen. Gearbeitet wird in sogenannten Studios, das sind kleine Werkstätten. Nach wie vor legt die Schule besonders viel Wert auf das enge Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden.
Bettum, der viel zur Verwendung von Polymer-Verbundstoffen als architektonischem Material geforscht hat, betont die geistige und künstlerische Freiheit an der Städelschule: „Wir arbeiten sehr experimentell und spekulativ. Unsere Absolventen tragen diese Ideen in die Welt“, sagt er und wählt einen interessanten Vergleich. „Es ist wie bei einem Forscher, der Medikamente an Mäusen testet. Es dauert, bis das Mittel auch angewandt wird.“
Die Mainmetropole biete den Studenten der Architekturklasse viel Anschauungsmaterial, meint Bettum. „Frankfurt hat fast alle Arten von Architektur.“ Die Architekturausbildung der Städelschule wirkt allerdings nicht besonders stark in die Stadt hinein. Die Studenten präsentieren ihre skulpturalen Arbeiten zwar regelmäßig auf den Rundgängen der Kunstakademie, sie beschäftigen sich aber nur selten mit genuinen Frankfurter Fragen. Bettum hält das für ausbaufähig.
Öffnet sich die Architekturklasse also stärker zur Stadt? Erste Früchte dieser Tendenz gab es schon auf dem jüngsten Rundgang der Städelschule zu sehen. Trummer arbeitet mit seinen Studenten an einem Forschungsprojekt zu Frankfurt. Gezeigt wurden Modelle ikonographischer Orte in der Stadt, die am 3D-Drucker entstanden sind. Außerdem wurden Entwürfe unterschiedlicher Hochhäuser miteinander zu neuen Türmen kombiniert. Karlsson erwägt, sich mit ihren Studenten dem Kulturcampus in Bockenheim zu widmen, der seit Jahren in der Warteschleife hängt. Dieses Projekt könnte vom frischen, experimentellen Klima an der Städelschule durchaus profitieren.